Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Ermessensausübung. Vermeidung von Unbilligkeiten. ergänzende Sozialhilfe
Leitsatz (amtlich)
Die Aufforderung des Leistungsträgers gem § 12a SGB 2, vorzeitig eine geminderte Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist ermessensfehlerfrei, wenn Unbilligkeitsgründe nicht vorliegen, und der Auszahlungsbetrag sowohl der geminderten Altersrente als auch der Regelaltersrente voraussichtlich nicht ausreichen wird, um den Bedarf des SGB 2-Leistungsbeziehers zu decken, sodass ergänzend SGB 12-Leistungen zu gewähren sind.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Aufforderung des Antrags- und Beschwerdegegners, vorzeitig einen Altersrentenantrag zu stellen.
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin steht beim Antragsgegner im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt bewilligte der Antragsgegner mit Bewilligungsbescheid vom 14. Oktober 2014 vorläufige Leistungen für den Zeitraum von November 2014 bis April 2015 iHv 482 EUR monatlich, bzw. 583 EUR für Dezember 2014. Dabei berücksichtigte er die Regelleistung von 391 EUR und Abschlagszahlungen auf die Heizkosten von 91 EUR. Im Dezember 2014 waren noch Zahlungen für die Wasserver- und die Abwasserentsorgung von 101 EUR fällig. Weitere Betriebskosten für das von der Antragstellerin bewohnte Eigenheim gewährte der Antragsgegner zunächst nicht, da ihm keine aktuellen Belege vorlagen.
Zuletzt im April 2014 schloss der Antragsgegner mit der Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung mit einer Geltungsdauer von sechs Monaten ab. Mit Renteninformation vom 29. April 2014 teilte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (im Weiteren: DRV) der Antragstellerin mit, sie könne bei Eintritt die Regelaltersrente im Januar 2017 mit einer ungekürzten Altersrente iHv 496,36 EUR rechnen. Ab August 2014 bestehe für sie die Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente für langjährige Versicherte mit 8,7 % Abschlägen in Anspruch zu nehmen.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, umgehend einen entsprechenden Rentenantrag zu stellen. Sie legte dagegen Widerspruch ein und nahm vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) in Anspruch. Mit Beschluss vom 21. Juli 2014 (Az.: S 3 AS 1662/14 ER) ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an. Die Aufforderung sei rechtswidrig, da die Antragstellerin erst am 23. Juli 2014 das 63. Lebensjahr vollende. Zudem sei die Aufforderung ermessensfehlerhaft, weil sich der Antragsgegner wegen der noch gültigen Eingliederungsvereinbarung widersprüchlich verhalte. Daraufhin nahm der Antragsgegner den Bescheid vom 4. Juni 2014 zurück.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2014 forderte er die Antragstellerin erneut zur Rentenantragstellung auf und nannte als Termin den 1. Dezember 2014. Er wies darauf hin, er sei berechtigt, den Antrag anstelle der Antragstellerin zu stellen, wenn diese der Aufforderung nicht nachkomme (§ 5 Abs. 3 SGB II). Die Verpflichtung zur Antragstellung ergebe sich aus § 12a SGB II. Die hierzu geregelten Ausnahmetatbestände griffen nicht ein. Die Antragstellerin habe bis einschließlich 2004 Arbeitslosenhilfe und danach SGB II-Leistungen erhalten und seither keine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgeübt. Sie habe auch keine Leistungen aus dem Vermittlungsbudget zur Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Anspruch genommen. Ihr habe kein passgenaues Stellenangebot unterbreitet werden können. Unter Berücksichtigung des bisherigen Werdegangs könne eine Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht prognostiziert werden. Nach den Rentenauskünften der DRV ergebe sich eine Regelaltersrente iHv 528,39 EUR ab Januar 2017; nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verblieben 474,23 EUR. Ihr aktueller monatlicher SGB II-Leistungsanspruch betrage 482 bzw. 583 EUR. Da die zu erwartende Nettorente unter diesem Betrag liege, sei sie sogar beim Bezug der ungeminderten Altersrente voraussichtlich auf Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angewiesen, sodass der vorzeitige Rentenantrag keine unbillige Härte bedeute.
Nach der Rentenauskunft der DRV vom 16. September 2014 beträgt die ab Januar 2017 zahlbare Regelaltersrente 528,39 EUR. Im Schreiben vom 23. Oktober 2014 wird ein Rentenbetrag von 528,61 EUR genannt.
Die Antragstellerin hat unter dem 4. November 2014 Widerspruch eingelegt und am 6. November 2014 bei dem SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei vor Erlass des Bescheides nicht angehört worden. Die Ermessensausübung s...