Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Anforderungen an die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge bei Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Orientierungssatz

Die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge nach § 178 SGG setzt neben der Wahrung der zweiwöchigen Frist auch einen schlüssigen Vortrag zu der angenommenen Verletzung des rechtlichen Gehörs voraus. Soweit durch den Beschwerdeführer in seiner Rüge lediglich Verfahrensfehler aus einer unteren Instanz gerügt werden (hier: PKH-Verfahren), ist die Anhörungsrüge unzulässig.

 

Tenor

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 29. April 2014 wird verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Rügeführerin wendet sich gegen eine Beschwerdeentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren.

Die Rügeführerin hatte beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Az.: S 13 AS 2857/13 ER) die Gewährung weiterer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum von Dezember 2013 bis Mai 2014 geltend gemacht und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Das SG hatte mit Beschluss vom 24. Februar 2014 die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Gewährung von PKH abgelehnt. Die eingelegte PKH-Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 29. April 2014 als unzulässig verworfen.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2014, das am 9. Mai 2014 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingegangen ist, hat die Rügeführerin gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt: Die Beschwerde sei zulässig, weil es um Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung gehe und der Beschluss rechtsfehlerhaft sei: Das SG hätte sie darauf aufmerksam machen müssen, dass sie sich auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mittels PKH durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen könne. Erst nach der Entscheidung über den PKH-Antrag hätte über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entschieden werden dürfen. Statt dessen habe das SG durch das gewählte Vorgehen ihr "den ordentlichen Rechtsweg" verwehrt.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2014 hat der Vorsitzende des 4. Senats die Rügeführerin gebeten, sich zu entscheiden, ob eine Beschwerde gemäß § 160a Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Bundessozialgericht oder eine Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG beim Landessozialgericht gemeint ist. Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 hat sie unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 6. Mai 2014 klargestellt, eine Anhörungsrüge erheben zu wollen.

Der Antragsgegner hat ausgeführt, er halte die Anhörungsrüge für unbegründet, denn eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht ersichtlich.

II.

Die Anhörungsrüge gemäß § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unzulässig.

Grundsätzlich ist die Erhebung einer Anhörungsrüge auch gegen nicht beschwerdefähige (§ 177 SGG) Endentscheidungen des Landessozialgerichts im einstweiligen Rechtsschutz möglich. Denn nach § 178a Abs. 1 Satz 1 SGG ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzusetzen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen (§ 178a Abs. 2 Satz 1 und 5 SGG).

Mit § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG wird dem Rügeführer eine Substantiierungs- und Darlegungslast auferlegt. Die Umstände, aus denen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergeben soll, müssen schlüssig aufgezeigt werden. Dazu ist insbesondere darzulegen, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe. Weiter ist darzulegen, weshalb ohne den Gehörsverstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann. Die Angabe der maßgeblichen Gründe ist schon nach dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift integraler Teil der Rüge selbst und deshalb mit ihr dem Fristablauf nach § 178a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG unterworfen (vgl. zum Vorstehenden: Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18. Mai 2009, Az. B 3 KR 1/09 C, juris).

Vorliegend hat die Rügeführerin die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist zwar eingehalten. Jedoch ist die erhobene Anhörungsrüge mangels hinreichender Substantiierung und Darlegung des Gehörverstoßes unzulässig.

Sinn und Zweck der Anhörungsrüge ist nach den vorstehenden Ausführungen auf die Wahrung des grundgesetzlichen Justizgewährungsanspruchs beschränkt. Die Anhörungsrüge stellt keinen ordentlichen Rechtsbehelf dar, der das Gericht zu einer nochmaligen rechtlichen Prüfung des Sachverhalts zwingt. Zwar sind nach der Kommentarliteratu...

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