Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Einkommenserzielung. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebskostenguthaben. Anrechnung in voller Höhe trotz teilweiser Erbringung aus eigenen Mitteln. Aufteilung nach Kopfteilen. Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen. Beschränkung der Minderjährigenhaftung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach § 22 Abs 3 SGB II in der Fassung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (juris: RBEG/SGB2/SGB12ÄndG) ist bei der Anrechnung eines Guthabens aus einer Nebenkostenabrechnung nicht mehr zu überprüfen, ob und in welchem Umfang Leistungsberechtigte in den Monaten des Abrechnungszeitraums Teile ihrer Bedarfe für Unterkunft aus eigenen Mitteln finanziert haben.

2. Einkommen aus einem Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung ist kopfteilig und nicht im Verhältnis von Bedarfsanteilen zu berücksichtigen.

 

Orientierungssatz

Die Vorschrift des § 1629a BGB, welche im Verfahren nach § 50 Abs 1 SGB 10 jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R = BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 und vom 18.11.2014 - B 4 AS 12/14 R = SozR 4-1300 § 50 Nr 5) bewirkt, dass bereits im gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung der Eintritt der Volljährigkeit des durch den Erstattungsverwaltungsakt Belasteten sowie sein Vermögensstand zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen sind.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin zu 3. wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. März 2015 abgeändert. Der Erstattungsbescheid vom 27. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2013 (XXX) wird gegenüber der Klägerin zu 3. insoweit aufgehoben, als diese mehr als 1,84 EUR zu erstatten hat. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zu 3. zurückgewiesen. Die Berufung des Klägers und der Klägerin zu 2. wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 3. für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen aus einer Betriebskostenerstattung erlassene Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten über die im Januar 2013 gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der 1966 geborene Kläger und die 1972 geborene Klägerin zu 2) sind die Eltern der am ... 1997 geborenen Klägerin zu 3). Die Kläger lebten gemeinsam in einer Mietwohnung. Für diese war im Jahr 2011 die Zahlung einer Grundmiete in Höhe von 283,77 EUR und von Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 110,20 EUR vereinbart. Wegen der Wärmeversorgung war ein gesonderter Vertrag mit einem Energieversorgungsunternehmen abgeschlossen. Von Januar bis Oktober 2011 waren für die Wärmeversorgung monatlich 86,00 EUR und im Dezember 2011 79,00 EUR zu zahlen. Im November 2011 war wegen eines Guthabens von 64,55 EUR kein Abschlag fällig. Im Januar 2013 betrug der Abschlagsbetrag 87,00 EUR. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte zentral.

Der Kläger bezieht eine Verletztenrente, deren Auszahlbetrag im Januar 2013 176,24 EUR betrug. Er hatte in diesem Monat Beiträge zu einer Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 13,74 EUR zu zahlen. Für die Klägerin zu 3) wurde Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR gewährt.

Die Kläger erhielten unter anderem im Jahr 2011 Leistungen nach dem SGB II durch den Beklagten. Im Rahmen der Bewilligungsentscheidungen berücksichtigte dieser eine Grundmiete von 283,77 EUR monatlich, von Januar bis Juli 2011 Betriebskostenvorauszahlungen von monatlich 78,75 EUR (Bruttokaltmiete/Kosten der Unterkunft: 362,52 EUR) und ab August 2011 in Höhe von monatlich 90,00 EUR (Bruttokaltmiete/Kosten der Unterkunft: 373,77 EUR) sowie von Januar bis Oktober 2011 Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 86,00 EUR. Wegen des Heizkostenguthabens stellte der Beklagte im November 2011 keinen Heizkostenbedarf und im Dezember 2011 einen Heizkostenbedarf in Höhe von 29,27 EUR in die Leistungsberechnung ein.

Mit der Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2010 erhielten die Kläger ein Guthaben in Höhe von 235,45 EUR. Dieses Guthaben rechnete der Beklagte nach seinen Ausführungen in einem Bescheid vom 27. Dezember 2011 nicht an.

Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 29. Juni 2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2012, zuletzt in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. November 2012, Leistungen nach dem SGB II unter anderem für den Monat Januar 2013, dabei in Höhe von 446,92 EUR für den Kläger, 446,91 EUR für die Klägerin zu 2) und 231,79 EUR für die Klägerin zu 3).

Mit dem Fortzahlungsantrag vom 19. Dezember 2012 reichten die Kläger eine Betriebskostenabrechnung ihres Vermieters...

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