Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Kennzeichnung der Diagnose als Exklusivum. keine Einstellung als Nebendiagnose. sachlich-rechnerische Prüfung der Krankenhausabrechnung. Geltendmachung außerhalb der 6-Wochen-Frist
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine Diagnose nach ICD-10 als "Exkl" gekennzeichnet, darf sie nicht als Nebendiagnose in den Groupingvorgang zur Ermittlung eines DRG-Schlüssels bei der Krankenhausabrechnung eingestellt werden.
2. Liegt insoweit ein Fehler vor, kann er außerhalb der Fristen des § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung der Krankenhausabrechnung geltend gemacht werden.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19.10.2012 wird abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert beträgt 2.588,43 EUR.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abrechnung einer Krankenhausbehandlung.
Die von dem Abrechnungsfall betroffene Versicherte der Beklagten befand sich vom 1. - 16. Oktober 2007 in stationärer Behandlung der Klägerin. Nach dem Abschlussbericht der für die Klägerin tätigen behandelnden Ärzte lautete die Diagnose:
eitrig-fibrinöse Vierquadrantenperitonitis bei perforierter Sigmadivertikulitis und konsekutivem chronischen Dünndarmileus
paraumbilicale inkarzerierte Hernie
postoperative Pankreatitis
Asthma bronchiale
arterielle Hypertonie
Hypothyreose.
Die Beklagte beglich zunächst die mit Datum vom 8. November 2007 gestellte Rechnung nach der DRG G02Z, forderte aber nach einer Fallprüfung im Jahre 2010 mit Schreiben vom 8. September 2010 deren Korrektur. Zur Begründung führte sie aus, bei der gestellten Hauptdiagnose K 57.20 (Divertikulose des Dickdarmes mit Perforation und Abszess bzw. Divertikulose des Kolons mit Peritonitis, jeweils ohne Angabe einer Blutung) dürfe die Nebendiagnose K 65.0 (akute Peritonitis) nicht zusätzlich kodiert werden. Aufgrund dieser Korrektur ergebe sich die abzurechnende DRG G18B. Es handele sich um einen formalen Fehler, der durch eine Gutschrift auszugleichen sei.
Da der geforderte Ausgleich nicht erfolgte, verrechnete die Beklagte den von ihr in unstrittiger Höhe ermittelten Differenzbetrag von 2.588,43 EUR am 7. Oktober 2010 mit Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen.
Mit der am 18. Juli 2011 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat die Klägerin den zuletzt genannten Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2010 geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zur Kürzung der Rechnung nicht mehr berechtigt gewesen. Die Beklagte habe bei der Überprüfung der Rechnungen das im Sozialrecht geltende Beschleunigungsgebot zu beachten gehabt. Dies ergebe sich insbesondere aus der im § 275 Abs. 1c SGB V niedergelegten Verpflichtung, Prüfungen der Krankenhausabrechnungen zeitnah durchzuführen. Insoweit sei eine Frist von sechs Wochen zu beachten. Selbst wenn man von einem längeren Rechnungsprüfungszeitraum ausgehe, widerspreche das Vorgehen der Beklagten jedenfalls dem Grundsatz von Treu und Glauben. Eine Rechnungsprüfung komme allenfalls noch im laufenden Geschäftsjahr in Betracht. Bei einer Verzögerung um drei Jahre sei ihr jegliche betriebswirtschaftliche Kalkulation unmöglich. Dies berühre letztlich auch ihre Leistungsfähigkeit im Bereich der Gesundheitsversorgung. Schließlich sei der Rückforderungsanspruch verwirkt. Durch die Begleichung der Rechnung sei Vertrauen bei der Klägerin geschaffen worden, dass die Rechnung geprüft und akzeptiert worden sei. Dieses Vertrauen sei durch die nachfolgende dreijährige Untätigkeit unterhalten worden.
Die Auffassung der Beklagten zu einer fehlerhaften Kodierung treffe sachlich auch nicht zu. Die Entscheidung sei im Rahmen einer Einzelfallprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zu treffen. Diese sei hier nicht erfolgt.
Der geltend gemachte Zinsanspruch ergebe sich aus § 69 S. 3 SGB V in Verbindung mit §§ 191, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens, insbesondere beigefügter Anlagen, wird auf Bl. 1 - 11 d. A. Bezug genommen.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, die Krankenhausleistungen würden überwiegend über diagnoseorientierte Fallpauschalen (DRG) abgerechnet. Die Zuweisung des einzelnen Behandlungsfalles zu einer DRG richte sich vorrangig nach der Hauptdiagnose sowie durchgeführten Prozeduren. Nebendiagnosen könnten Auswirkungen auf die Einstufung des Schweregrades haben. Die eindeutige Zuordnung zu der maßgeblichen DRG-Fallgruppe erfolge computergestützt nach einem eigens entwickelten Grouper. Die Anwendung der Diagnose- und Prozedurenklassifikationen werde durch die allgemeinen und speziellen Kodierrichtlinien bestimmt, die von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Spitzenverbänden und dem Verband der privaten Krankenversicherung erstellt worden seien. Die Klägerin habe in ihrer Abrechnung die Nebendiagnos...