Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Vorbereitungshandlung. Betriebsweg. unmittelbares Betriebsinteresse. objektivierte Handlungstendenz. Motorradfahrt mit Lebensgefährtin. Fahrzeugbesichtigung. Taxiunternehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Unternehmerische Vorbereitungshandlungen werden vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst, wenn sie eine sehr enge sachliche, zeitliche und örtliche Beziehung zur versicherten Haupttätigkeit des Unternehmers aufweisen.
2. Ein Weg wird insbesondere dann im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt und steht somit im sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit, wenn Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Gründe geprägt werden (Anschluss an BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 39).
3. Bei einer Verrichtung mit gemischter Motivationslage ist ein sachlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gegeben, wenn die konkrete Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv eine versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Diese fehlt, wenn sich in der den konkreten Unfallschaden stiftenden Situation ein allein aus privaten Motiven begründetes (motorrad-)spezifisches Risiko verwirklicht hat.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1954 geborene und seinerzeit als Taxiunternehmer tätige Kläger erlitt laut D-Arztbericht vom 13. Oktober 2010 am 12. September 2010 (Sonntag) gegen 15:30 Uhr auf dem Weg von seinem Wohnort nach Bad F. etwa 5 km vor Bad F. mit einem Motorrad einen Unfall, als er am Ende einer Kurve auf den Fahrbahnrand geriet, im Kiesbett wegrutschte, vom Motorrad stürzte und mit dem Rücken an die Leitplanke bzw. an einen Leitplankenpfosten schleuderte. Der Kläger sei bei der Fahrt als Autoaufkäufer eines Transporters der Firma H. & S. aus S. unterwegs gewesen, der sich in Bad F. befunden habe. Nach zunächst erfolgter Aufnahme im Krankenhaus Bad F. wurde der Kläger mit einem Rettungshubschrauber in die Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. H. gebracht, wo u.a. eine komplette Querschnittslähmung unterhalb von Th8 mit Blasen- und Mastdarmfunktionsstörung bei Zustand nach Bruch des fünften und sechsten Brustwirbelkörpers diagnostiziert wurde (Berichte vom 8. Oktober sowie 8. und 18. November 2010).
Unter dem 22. Oktober 2010 hielt die Beklagte in einem Vermerk über ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Firma RG Logistik H. G. fest, dass der Kläger im Rahmen seines Unternehmens schon öfter Kleintransporte und Kurierdienste für die Firma RG L. erledigt habe. Um diese zusätzliche Einnahmequelle auszubauen, habe der Kläger einen Kleintransporter kaufen wollen. Dazu sei die Fahrt zur Firma H. & S. am 12. September 2010 unternommen worden.
In seinem Vermerk über den am 4. November 2010 erfolgten Besuch beim Kläger im Krankenhaus hielt der Mitarbeiter der Beklagten K. u.a. fest, der Kläger erbringe nach seinen Angaben mit seinem Taxi (VW Passat) neben der klassischen Personenbeförderung seit mehreren Jahren gelegentlich Transporte von Kleingütern für die Spedition Sch. Vor vielen Jahren habe er auch einmal einen Transportauftrag für Herrn G. ausgeführt. Als Gewerbe sei nur sein Taxiunternehmen angemeldet. Er habe geplant gehabt, sein Unternehmen perspektivisch um Kleintransporte mit einem entsprechenden Fahrzeug zu erweitern, um als Subunternehmer für H. Pakete auszuliefern. Als Geschäftsbeginn sei die Vorweihnachtszeit 2010 vorgesehen gewesen. Die Anmeldung einer Gewerbeerweiterung sei noch nicht erfolgt; Absprachen oder Verträge mit H. habe es auch noch nicht gegeben. Der Kläger habe erst ein geeignetes Fahrzeug anschaffen und dann die weiteren Veranlassungen treffen wollen. Von Dritten habe er erfahren, dass die Firma H. & S. einen 7,5 t-Kleintransporter perspektivisch habe verkaufen wollen. Als Besichtigungstermin sei von ihm mit Herrn S. telefonisch den 12. September 2010 um 16:00 Uhr und als Treffpunkt den Parkplatz am Busbahnhof in Bad F. vereinbart worden. Ein Kauf des Fahrzeugs sei am 12. September 2010 nicht geplant gewesen. Der Kläger habe sich erst noch weitere Fahrzeuge ansehen und dann eine Entscheidung treffen wollen.
Unter dem 9. November 2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei am Unfalltag auf dem Weg zur Besichtigung eines Fahrzeugs zwecks Erweiterung seines Betriebes gewesen. Die Unfallstelle habe auf dem direkten Weg dorthin gelegen.
Mit Bescheid vom 23. November 2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab; Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen. Bei vorbereitenden Tätigkeiten zur Erweiterung eines Unternehmens bestehe nur dann Versicherungsschutz, wenn für die Eröffnung ein bestimmtes, örtlich und sachlich konkretisiertes unternehmerisch gerichtetes Hand...