Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf. Promotionsstudium. Übernahme von Fahrtkosten für die Anfertigung der Dissertation
Leitsatz (amtlich)
Eine Übernahme von Fahrtkosten, die anlässlich einer Promotion entstehen, kann nicht im Wege der Eingliederungshilfe erfolgen, wenn bereits ein Studium mit einem Magisterabschluss absolviert wurde und damit ein auf dem ersten Arbeitsmarkt verwertbarer Berufsabschluss vorliegt. Das Promotionsstudium ist dann keine "Ausbildung", für die ein Anspruch auf Förderung besteht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. September 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Förderung des Promotionsstudiums des Klägers durch Übernahme von Fahrtkosten von H. nach B. im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII - Sozialhilfe).
Der 1978 geborene Kläger ist ein körperlich wesentlich behinderter Mensch. Er ist an einer rechtsbetonten, vom Gehirn ausgelösten Bewegungsstörung vom extrapyramidalen Mischtyp erkrankt. Aufgrund der Erkrankung kann er sich nur im Rollstuhl fortbewegen. Einschießende Verkrampfungen der Muskulatur hindern ihn an der normalen Schriftsprache (Sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Kinderheilkunde Dr. R. für das Gesundheitsamt H. vom 10. Juni 2002). Bei dem Kläger sind ein Grad der Behinderung von Hundert und die Merkzeichen G, aG und H festgestellt. Er erhält Leistungen der Pflegestufe II.
Der Kläger hat nach dem Erwerb des Realschulabschlusses eine dreijährige Ausbildung zum Bürokaufmann bei einem Berufsbildungswerk im Jahr 1998 erfolgreich abgeschlossen. Im unmittelbaren Anschluss hat er das Gymnasium besucht und im Jahr 2002 die Abiturprüfung bestanden. Sodann hat der Kläger ein Studium an der Universität L. aufgenommen, mit dessen Abschluss er im Frühjahr 2008 den Magister in den Studienfächern Mittlere und Neuere Geschichte sowie Philosophie erwarb. In diesem Rahmen übernahm der Beklagte die Kosten für die Fahrten von H. - dem Wohnort der Eltern des Klägers und dessen Wohnort - für maximal eine Heimfahrt in der Woche, durchgeführt durch das Rote Kreuz. Im Frühjahr 2008 bezog der Kläger eine weitere Wohnung in B.
Am 3. März 2008 erhielt der Landkreis Harz als örtlicher Träger der Sozialhilfe einen Antrag des Klägers auf Übernahme der Fahrtkosten für Fahrten nach B. beziehungsweise H. Der Kläger führte aus, er sei aufgrund seiner sehr guten Leistungen im Studium als Doktorand akzeptiert worden. Durch die Doktorarbeit zum Thema "Die Beteiligung der DDR an den Olympischen Spielen in M. 1974 zwischen deutschdeutscher Sportpolitik, staatlicher Selbstrepräsentation und Kaderkontrolle" verlängere sich sein Studium um etwa drei Jahre. Das Thema der Doktorarbeit erfordere regelmäßige, umfangreiche Recherchen im Bundesarchiv in B.-S. Mit den Archivarbeiten solle ab April 2008 begonnen werden. Zielort der Fahrten solle in der Regel B., manchmal wegen Besprechungen mit seinem Doktorvater auch L. sein. Aus dem Antrag zur Eintragung in die Doktorandenliste der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität L. ergibt sich, dass Betreuer Prof. Dr. H. ist. Bei Beginn der Dissertation im April 2008 war deren Abschluss Ende September 2010 geplant.
Der Landkreis H. lehnte den Antrag des Klägers im Namen des Beklagten mit Bescheid vom 17. März 2008 ab, weil sich der Kläger mit dem Studienabschluss als Magister eine ausreichende Lebensgrundlage geschaffen habe. Denn mit diesem Abschluss sei er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 28. März 2008 Widerspruch ein und führte aus, er sehe keine Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Weiter legte er im Verlauf des Widerspruchsverfahrens unter anderem ein Schreiben des Prof. Dr. H. vom 27. März 2008 vor, in dem dieser mitteilte, zwar sei das Studium mit dem Abschluss als Magister formal abgeschlossen, mit den Studienfächern Geschichte und Philosophie sei es aber auf dem "allgemeinen Arbeitsmarkt" zur Zeit so gut wie unmöglich, "sich eine ausreichende Lebensgrundlage" zu schaffen. Ohne eine weitere akademische Qualifikation werde es dem Kläger - auch wegen seiner starken körperlichen Behinderung - nicht möglich sein, eine Stelle als Historiker oder Archivar im wissenschaftlichen oder regionalkommunalen Bereich zu bekommen. Angesichts des heutzutage hohen wissenschaftlichen Standards erreichten nur 3 % der gegenwärtig Studierenden den Status eines Promovenden. Das Promotionsstudium stelle zugleich ein Aufbaustudium dar. Der Landkreis H. fragte sodann bei der Agentur für Arbeit H. zu den Chancen und Möglichkeiten der beruflichen Eingliederung des Klägers und Stellenangeboten nach. Di...