Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Zugewinnausgleichszahlungen nach Ehescheidung. keine bloße Vermögensumschichtung. Berücksichtigung als einmalige Einnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Eine nach Antragstellung im laufenden Leistungsbezug zugeflossene Zahlung aus einem Zugewinnausgleich ist als einmalige Einnahme auf den Hilfebedarf nach § 11 Abs 3 SGB II anzurechnen. Dabei ist es unerheblich, ob die Scheidung und/oder die Entscheidung über den Zugewinnausgleich durch das Familiengericht vor oder nach Beginn des Leistungsbezuges erfolgt ist.
2. Der Anspruch auf Zugewinn stellt einen schuldrechtlichen Anspruch dar. In der Begleichung einer bereits vor Antragstellung bestehenden Forderung liegt keine bloße Vermögensumschichtung (Anschluss an die stdg Rspr d BSG, zB Urt vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R = SozR 4-1300 § 33 Nr 1, zur Gehaltsnachzahlung).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die endgültige Festsetzung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Mai und Juni 2015 streitig.
Die 1953 geborene Klägerin heiratete am 14. Juli 1973. Die Eheleute lebten bis zum 1. Juli 1993 im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Ehe wurde durch das Urteil des Amtsgerichts (AG) Stendal vom 4. April 1997 - Zurückweisung der Berufung durch das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg mit Urteil vom 12. Februar 1998 - geschieden. Das AG Stendal verurteilte den Ehemann der Klägerin mit Urteil vom 3. April 2009 zur Zahlung eines (Rest-)Zugewinns von 6.462,01 € nebst Zinsen.
Die Klägerin betrieb im Jahr 2014 und 2015 eine Werbeagentur und beantragte am 18. Dezember 2014 die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab Januar 2015. Sie gab dabei Kosten der Unterkunft und Heizung von 267 € an (193 € Grundmiete, 37 € Heizkosten und 37 € Betriebskosten). Zudem reichte sie eine Aufstellung zum voraussichtlichen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ein. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 7. Januar 2015 vorläufige Leistungen für den Zeitraum von Januar bis Juni 2015 i.H.v. 458,67 € monatlich. Er berücksichtigte dabei ein anrechenbares Einkommen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit i.H.v. 207,33 €. Eine abschließende Entscheidung sei erst möglich, wenn die tatsächlichen Einnahmen feststünden.
Am 5. Mai 2015 teilte die Klägerin mit, dass sie im April 2015 von ihrem geschiedenen Ehemann über 4.000 € aufgrund des Zugewinnausgleichs überwiesen bekommen habe. Der Beklagte stellte die laufende Zahlung ab Juni 2015 ein. Am 28. Mai 2015 reichte die Klägerin den Schriftverkehr zu Rechtsstreitigkeiten wegen des Zugewinnausgleichs ein. Aufgrund einer Aufrechnung führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hierin eine verbliebene Forderung von 4.568,02 € auf. Dieser Betrag war ausweislich eines Kontoauszugs am 27. April 2015 an die Klägerin gezahlt worden.
Mit Bescheid vom 30. Juli 2015 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für Mai 2015 i.H.v. 458,67 € vollständig auf und machte unter Berücksichtigung von § 40 Abs. 4 SGB II (in der Fassung bis zum 31. Juli 2016) eine Erstattung von 329,87 € geltend. Die Klägerin habe eine Restforderung aus dem Zugewinnausgleich i.H.v. 4.568,02 € im April 2015 erhalten. Dieser Zahlungseingang sei als einmalige Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigen. Eine Anrechnung erfolge ab Mai 2015 anteilig für sechs Monate und führe dazu, dass die Hilfebedürftigkeit entfalle. Die Aufhebung beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Mit weiterem Bescheid vom 31. Juli 2015 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab 1. Mai 2015 vollständig auf.
Mit Widerspruch vom 11. August 2015 wandte sich die Klägerin gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30. Juli 2015. Der Zugewinnausgleich sei kein Einkommen, sondern als Vermögen anrechnungsfrei. Es werde lediglich der unterschiedliche Wertzuwachs der Vermögensbestände der Ehegatten bis zur Scheidung ausgeglichen. Am 31. August 2015 erhob die Klägerin zudem Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 31. Juli 2015 und verwies auf die bisherigen Ausführungen.
Der Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2015 zurück, der am 25. Oktober 2016 zugestellt wurde. Die Klägerin sei ab Mai 2015 nicht mehr hilfebedürftig gewesen. Dem Gesamtbedarf i.H.v. monatlich 666 € stünden das Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit und das einmalige Einkommen aus dem Zugewinnausgleich entgegen. Letzteres sei aufgrund des Zuflusses im April 2015 ab Mai 2015 mit einem bereinigten Teilbetrag von monatlich 731,33...