Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Voraussetzungen für eine Mammareduktionsplastik. Gericht. Nichtberücksichtigung eines Beweisantrages. Stützung auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Brustverkleinerungs-Operation (Mammareduktionsplastik).
2. Ohne einen konkreten Anhaltspunkt muss der Senat einem Beweisantrag nicht nachgehen. Es handelt sich dann um einen Beweisantrag "ins Blaue" hinein (vgl BVerfG vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03).
3. Der Senat kann sich auch auf ein Gutachten des MDK stützen. Dieses ist kein "Partei-Gutachten".
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer beidseitigen Mammareduktionsplastik als Sachleistung von der beklagten Krankenkasse.
Die Klägerin ist am ... 1987 geboren. Am 7. Oktober 2015 beantragte Dr. L. (A. Klinik) für die Klägerin eine Reduktionsmastopexie. Es bestehe eine extrem makrosome und für das Alter völlig untypische ptotische Mammae beidseits. Die von der Klägerin angegebenen Beschwerden seien nachvollziehbar (Rückenschmerzen, intermittierend auftretende Entzündungen, Schnürfurchen im Bereich der BH-Träger). Zudem fühle sich die Klägerin durch diese von der Norm abweichende Situation psychisch extrem belastet und meide inzwischen selbst soziale Kontakte. Das Gewicht der Klägerin betrug bei einer Größe von 175 cm 68 kg. Die Resektatmenge pro Seite werde auf mehr als 650g geschätzt. Beigefügt waren Fotografien der Brüste der Klägerin.
Die Beklagte wies die Klägerin am 14. Oktober 2015 darauf hin, dass man ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einholen wolle. Der MDK kam in einer Stellungnahme nach Aktenlage am 22. Oktober 2015 zu dem Ergebnis, dass es sich hier lediglich um eine Korrektur des äußeren Erscheinungsbildes handele, die kosmetischen Charakter habe. Die Fotodokumentation sei sehr aussagekräftig. Im Vergleich zur normosomen Körperkonstitution stelle sich eine ausgeprägte Ptose dritten Grades bei insgesamt makrosom ausgebildeten Brüsten beidseits dar. Eine hochgradige Entstellung liege nicht vor. Durch das Tragen von Miederwaren mit stützendem Effekt sei eine Stabilisierung und Entlastung im Thorax-/Rückenbereich zu erwarten. Mit Bescheid vom 5. November 2015 lehnte die Beklagte gestützt auf diese Einschätzung den Antrag der Klägerin ab.
Hiergegen legte diese am 24. November 2015 Widerspruch ein. Es handele sich nicht um eine rein kosmetische Operation. Sie sei in ihrem gesamten Leben eingeschränkt und habe Angst vor einer Erwerbsunfähigkeit, welche durch diese Operation verhindert werden solle. Die Klägerin wies darauf hin, dass sie bei diversen Fachärzten in Behandlung sei. Sie habe starke Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule und des Hals-Nacken-Bereichs mit ausstrahlenden Schmerzen in die Arme. Die Beklagte holte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten durch den MDK vom 28. Juni 2016 mit körperlicher Untersuchung ein. Hierbei zeigte die Klägerin eine altersentsprechende sehr gute Beweglichkeit der Wirbelsäule und der oberen Extremitäten bei anlagebedingter Hypermobilität. Mit dem ermittelten Brustgewicht stellten sich zwei normosome, in Relation zur schlanken Körperkonstitution allenfalls minimal hypertrophe Brüste dar. Die geschätzte Resektatmenge von mehr als 650 g pro Seite sei in keiner Weise nachvollziehbar. Augenfällig sei eine Ptosis dritten Grades beidseits. Eine Entstellung liege nicht vor. Eine Funktionseinschränkung sei nicht ersichtlich, so dass kein regelwidriger Körperzustand vorliege. Die beklagte orthopädische Beschwerdesymptomatik lasse sich auf natürliche, anlagebedingte und nicht geschlechtsspezifische Dysbalancen des Stütz- und Bewegungssystems zurückführen. Wissenschaftliche Studien, welche einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Brustvolumen und Beschwerden des Stütz- und Bewegungssystems bzw. eine Linderung dieser nach Mammareduktionsplastik belegten, existierten nicht. Eine Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und stützte sich auf die Gutachten des MDK. Nach einem Postrücklauf wurde der Bescheid am 10. Oktober 2016 erneut der Klägerin mit Einwurf-Einschreiben übersandt.
Am 14. November 2016 (Montag) hat die Klägerin Klage erhoben. Die konservativen Maßnahmen zur Beseitigung der Beschwerden seien ausgeschöpft, wie Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 2015 festgestellt habe.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten. Der Facharzt für Orthopädie Dr. Z. hat am 2. Januar 2018 ausgeführt, die Klägerin habe sich erstmals bei ihm am 19. November 2015 vorgestellt und über Schulter-Nacken-Beschwerden seit der Kindheit rezidivierend beri...