Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Einstiegsgeld. zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Erforderlichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Einstiegsgeld und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit müssen in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.
2. Erforderlichkeit liegt nur dann vor, wenn zwischen der begehrten Förderung und der beabsichtigten Eingliederung in den Arbeitsmarkt ein kausaler Zusammenhang besteht.
3. Einstiegsgeld ist nicht erforderlich, wenn das Beschäftigungsverhältnis auch ohne die Bewilligung von Einstiegsgeld aufgenommen worden und somit die Eingliederung auch ohne Förderung erfolgt ist.
Normenkette
SGB II § 16b Abs. 1, § 20 Abs. 2 S. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 16b Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am ...1973 geborene Klägerin hatte den Beruf des Facharbeiters Holztechnik erlernt. Sie bezog als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Familie laufende Leistungen nach dem SGB II von dem Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden: Beklagter). Sie ging am 7. August 2009 keiner versicherungspflichtigen oder geringfügigen Beschäftigung nach.
Am 7. August 2009 (Freitag) schloss sie mit der Alten- und Pflegeheim B ...-GmbH einen unbefristeten Arbeitsvertrag für die Zeit ab 8. August 2009 als Hilfskraft/Präsenzkraft. Vereinbart war eine regelmäßige durchschnittliche Arbeitsleistung von 35 h/Woche. Der Bruttolohn betrug 1.075 EUR/Monat Grundgehalt zuzüglich Schichtzulagen und Prämien. Der Bruttolohn betrug im August 2009 819,05 EUR und danach zwischen 1.127,79 EUR (Oktober 2010) und 1.313,95 EUR (Januar 2010). Auch nach Aufnahme der Beschäftigung bezog die Bedarfsgemeinschaft weiter ergänzende Leistungen nach dem SGB II.
Die Klägerin beantragte am 24. August 2009 bei der Beklagten die Bewilligung von Einstiegsgeld für die aufgenommene Beschäftigung. Sie legte das unter dem 23. August 2009 ausgefüllte Formular " Einstiegsgeld (ESG)" vor. Nach dem V.-Vermerk in der Verwaltungsakte des Beklagten hatte die Klägerin am 7. August 2009 aus dem Vermittlungsbudget "Kosten für Arbeitsmittel" und einen "Antrag ESG" beantragt.
Der Beklagte lehnte die Bewilligung von Einstiegsgeld mit Bescheid vom 27. August 2009 ab. Es liege keine Notwendigkeit der Förderung durch Einstiegsgeld vor, da das Arbeitsentgelt nicht im Niedriglohnbereich liege.
In dem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der ortsübliche Tarifstundenlohn liege bei 7,50 EUR und ihrer bei 7,04 EUR.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2009 als unbegründet zurück. Über den Antrag auf Bewilligung von Einstiegsgeld vom 7. August 2009 sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sollten motiviert werden, eine Arbeit im Niedriglohnbereich aufzunehmen. Der Niedriglohnbereich entspreche einem Arbeitsentgelt von bis zu 1.100 EUR brutto, bezogen auf eine Vollzeitbeschäftigung. Bei dem Arbeitgeber der Klägerin betrage die regelmäßige Arbeitszeit für Vollbeschäftigte 40 h/Woche, sie sei aber nur für 35 h/Woche eingestellt und somit teilzeitbeschäftigt. Bei einer Vollzeitbeschäftigung betrüge ihr Bruttoeinkommen ca. 1.229 EUR/Monat.
Dagegen hat die Klägerin am 11. November 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Sie hat angegeben, alle bei dem Arbeitgeber beschäftigten Präsenzkräfte seien in Vollzeit mit 35 h/Woche beschäftigt. Eine andere bei dem Arbeitgeber beschäftigte Mitarbeiterin habe bei einer Arbeitszeit von 30 h/Woche einen Eingliederungszuschuss erhalten. Die neben dem Bruttolohn bewilligten Zuschläge dürften nicht berücksichtigt werden.
Der Beklagte hat eingewendet, nach telefonischer Rücksprache mit dem Arbeitgeber bedeute eine Vollzeitbeschäftigung 40 h/Woche, lediglich Service-Kräfte würden in der Regel mit 35 h/Woche eingestellt. Ergänzend hat er die "ARGE-Geschäftsanweisung 02/2006 vom 15.052006 - Ermessenslenkenden Weisungen Einstiegsgeld (ESG) - § 16 bSGB II" i.d.F. vom 17. August 2009 vorgelegt. Danach beschränkte sich die Gewährung des Einstiegsgelds auf den "Niedriglohnbereich (1100-EUR-Brutto bei Vollzeitbeschäftigung)".
Das Sozialgericht hat Auskünfte des Arbeitgebers vom 23. Februar und 4. April 2010 beigezogen. Danach konnten den Präsenzkräften wegen des Schichtsystems keine höheren Arbeitszeiten als 35 h/Woche angeboten werden. Abweichungen seien im Betrieb nicht möglich. 35 Wochenstunden würden allgemein in vielen Betrieben und Ämtern als Vollzeit angesehen. Die Klägerin übe somit eine Vollzeittätigkeit aus.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. Mai 2013 abgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Einstiegsgeld sei nicht schon als mit Wirkung zum 7. August 2009 ...