Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenüberführung. Sonderversorgung im Beitrittsgebiet. tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt. Rechtscharakter von Verpflegungsgeldzahlungen. Korrektur eines Überführungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das ausweislich der Besoldungsstammkarten tatsächlich gezahlte Verpflegungsgeld an einen Beschäftigten der Deutschen Volkspolizei ist als erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen. Denn Grund für die Einführung von Wohnungs- und Verpflegungsgeld war ausweislich der Präambel zum Beschluss über die Einführung vom 21.4.1960 des MdI maßgeblich, eine Verbesserung des Einkommens der Angehörigen der bewaffneten Organe des MdI aus dem Fonds für "lohnpolitische Maßnahmen 1960" zu erreichen.

2. Das Verpflegungsgeld war - gemessen an den am 1.8.1991 geltenden Vorschriften des bundesdeutschen Steuerrechts - keine (insbesondere nicht nach § 3 Nr 4 Buchst c EStG oder § 3 Nr 12, 13 oder 16 EStG) steuerfreie Einnahme.

3. Der gem § 44 SGB X zu überprüfende Überführungsbescheid ist gem § 44 Abs 2 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, dh für die Zeit ab Bekanntgabe des Zugunstenbescheides, zurückzunehmen. Die Entscheidung, den Überführungsbescheid auch für die Vergangenheit zurückzunehmen, steht im Ermessen des Versorgungsträgers.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz 2 vgl LSG Berlin-Potsdam vom 24.2.2016 - L 16 R 649/14 = juris RdNr 24.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Juni 2012 geändert. Für die Zeit vor dem 4. Dezember 2008 wird der Beklagte nur verpflichtet, den Kläger über die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 29. November 1995 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Mai 1997 und des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 5. September 2001 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger drei Viertel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung von Verpflegungsgeldzahlungen als weitere Entgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat.

Der am ... 1925 geborene Kläger war vom 19. September 1955 bis zum 31. Dezember 1985 bei der Deutschen Volkspolizei der DDR tätig. Von 1986 bis zum 30. September 1990 bezog er eine Invalidenvollrente. Seit dem 1. Oktober 1990 erhält er Altersrente; bis zum 31. Juli 1991 bezog er daneben eine Dienstbeschädigungsteilrente. Mit Bescheid vom 29. November 1995 stellte das beklagte Land für diesen Zeitraum Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Sonderversorgungssystem Nr. 2 der Anlage 2 zum AAÜG) fest. Dieser Bescheid wurde in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Mai 1997 und des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 5. September 2001, welche das AAÜG-Änderungsgesetz vom 11. November 1996 und das 2. AAÜG-Änderungsgesetz vom 27. Juli 2001 umsetzten, bestandskräftig.

Am 4. Dezember 2008 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag und begehrte die Feststellung von weiteren Entgelten nach dem AAÜG. Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2009 die Feststellung von Verpflegungsgeld mit der Begründung ab, es habe sich dabei nicht um Arbeitsentgelt im Sinne des AAÜG gehandelt. Mit der Zahlung des Verpflegungsgeldes habe der erhöhte Aufwand für eine ansprechende Verpflegung ausgeglichen werden sollen. Diese Zahlung habe somit keinen Lohncharakter gehabt. Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Mai 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, welche inhaltliche Bedeutung dem Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 AAÜG zukomme, bestimme sich nach § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV). Die an die Angehörigen der Sonderversorgungssysteme gezahlten Zulagen und Zuschläge seien lohnsteuerpflichtige Einkommensbestandteile im Sinne des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit im Sinne des Sozialversicherungsrechts dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2009 mit der Begründung zurück, die Verpflegungsordnung des Ministeriums des Innern (MdI) sei gegenüber der Versorgungsordnung des MdI spezieller. Dem Widerspruchsbescheid ist eine Aufschlüsselung der gezahlten Zulagen, Zuschläge und Zuschüsse, insbesondere Verpflegungsgeld für die Zeiträume vom 1. Januar 1961 bis zum 31. Dezember 1985, beigefügt; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 34 der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Dagegen hat der Kläger am 24. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben. Ergänzend und vertiefend hat er vorgetragen, das Verpflegungsgeld habe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis gestanden. Das ergebe sich aus der Besoldungsordnung des MdI. ...

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