Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. fiktive Einbeziehung. Stichtagsregelung. betriebliche Voraussetzung. DDR-Planwirtschaft. VEB Rohrleitungsbau Aschersleben
Leitsatz (amtlich)
1. Die Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG muss sich am Wortlaut, dem Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte und der Systematik orientieren (vgl BVerfG vom 8.2.1999 - 1 BvL 25/97). Unter Berücksichtigung dieser Auslegungskriterien ist eine Einbeziehung von Versicherten, die keine ausdrückliche Versorgungszusage erhalten haben, nicht möglich (Entgegen BSG vom 19.10.2010 - B 5 RS 3/09 R).
2. Weder aus Art 17 EinigVtr noch aus Art 19 EinigVtr ergibt sich eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots (Entgegen BSG vom 19.10.2010 - B 5 RS 3/09 R). Für Art 17 EinigVtr folgt dies bereits daraus, dass einer bloßen Absichtserklärung kein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Auch Art 19 EinigVtr enthält nach seinem Wortlaut keine Aussage zu einer Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots.
3. Die Stichtagsregelung des 30.6.1990, an der der 5. Senat des BSG ausdrücklich festhält (Entgegen BSG vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R = BSGE 108, 300), erscheint im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG problematisch.
4. Bei der Prüfung der sachlichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG (ingenieurtechnische Tätigkeit) ist nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt.
5. Hinsichtlich der betrieblichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG erscheint fraglich, ob es am 30.6.1990 überhaupt noch VEB gab, die entsprechend der Vorgabe des BSG (vgl BSG vom 9.4.2002 - B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 6) organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren. Denn es ist zweifelhaft, ob es im Juni 1990 überhaupt noch eine Planwirtschaft in der DDR gab.
6. Der VEB Rohrleitungsbau Aschersleben war kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) hat.
Der 1950 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom Juli .. 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ab dem 01. September 1974 bis mindestens zum 30. Juni 1990 arbeitete er beim VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen, Betrieb Rohrleitungen F., später VEB Rohrleitungsbau F., Betriebsteil A. sowie ab 1978 VEB Rohrleitungsbau A. als Produktionslenker sowie zuletzt als Gruppenleiter Preise bzw. Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zahlte er vom 01. Juli 1983 bis zum 30. Juni 1990. Eine schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger während des Bestehens der DDR nicht.
Am 10. November 2003 beantragte der Kläger die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2004 mit der Begründung ab, dass weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen habe noch am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Der Kläger sei nicht als Ingenieur, sondern als Preissachbearbeiter tätig gewesen. Dagegen legte der Kläger am 10. Februar 2004 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, seine Arbeitsaufgaben hätten dem heutigen Berufsbild eines Vertriebsingenieurs entsprochen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 mit der Begründung zurück, als Abteilungsleiter Preise und Abrechnung sei der Kläger nicht als Ingenieur beschäftigt gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 11. Mai 2004 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und ausgeführt, seine Tätigkeiten hätte er ohne die Qualifikation als Ingenieur gar nicht ausüben dürfen. Zum Inhalt seiner Beschäftigung hat er sein Arbeitszeugnis vom 25. November 1992 sowie eine Auskunft des seinerzeitigen Gruppenleiters Planungstechnologie L. W. vom 24. Juni 2004 eingereicht. Mit Urteil vom 24. November 2005 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt, denn er sei nicht unmittelbar in...