Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Anforderung an die Annahme einer Gehfähigkeit als Voraussetzung der Arbeitsfähigkeit. Medizinische Beweiswürdigung. Leistungsvermögen

 

Orientierungssatz

1. Eine Gehfähigkeit, die viermal täglich eine Wegstrecke von 500 Metern in einer Zeit von 15 Minuten ermöglicht, ist ausreichend, um einen Arbeitsplatz zu erreichen, so dass daraus eine Erwerbsminderung nicht folgt.

2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegen einer Erwerbsminderung (hier: Erwerbsminderung verneint).

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 2-3

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. November 2012 anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Der am ... 1958 geborene Kläger arbeitete bis 2004 als Konditor. Seit dem 1. März 2005 ist er arbeitsuchend.

Er hatte am 6. Mai 2002 bei einem Motorradunfall eine Tibiakopftrümmerfraktur links erlitten und erhält mittlerweile eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30%. Nach dem Gutachten des Facharztes für Chirurgie/Traumatologie Dr. L. vom 9. Mai 2006 in einem vorangegangenen Rentenverfahren bestehe im Bereich des linken Kniegelenks ein Zustand nach Tibiafraktur mit Streckhemmung von 20° und deutlicher Varusfehlstellung von 12° bei ausgeprägter posttraumatischer Arthrose. Im Bereich des rechten Kniegelenks bestehe bei freier Beweglichkeit eine beginnende mediale Gonarthrose mit Zustand nach Meniskektomie und Überlastung. Ferner lägen eine initiale Coxarthrose links und eine ISG-Symptomatik links vor. Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig einsetzbar. Er könne nach seinen Angaben 1 km zu Fuß gehen.

Auf einen gerichtlichen Vergleich hatte die Beklagte mit Bescheid vom 5. November 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI ab dem 1. März 2006 auf Dauer bewilligt.

In dem Rentenantrag vom 12. November 2012 machte der Kläger geltend, wegen der Folgen des Wegeunfalls sowie wegen einer chronischen Herzerkrankung nach Herzinfarkt 2008 nicht mehr leistungsfähig zu sein. Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. Nach den beigefügten Arztbriefen des Herzzentrums der Universität L. besteht eine koronare 1-Gefäßerkrankung bei Zustand nach Hinterwandinfarkt mit Stentimplantation Juni 2008. Die kardiale Belastbarkeit habe bei 125 W gelegen (30. September 2010 und 150 W (13. Dezember 2012).

Sodann ließ die Beklagte den Facharzt für Innere Medizin/Nephrologie/Kardiologie Dr. K. das Gutachten vom 12. März 2013 erstatten. Dieser beschrieb ein humpelndes Gangbild mit deutlichem Beuge- und Streckdefizit des linken Kniegelenks. Die Ergometrie wurde bei 125 W nach 1 min 16 s wegen Knieschmerzen links ohne Zeichen einer kardialen Dekompensation abgebrochen. Der Kläger befinde sich in einem guten körperlichen allgemeinen Zustand bei stabilem kardialem Status. Der Gutachter diagnostizierte auf seinem Fachgebiet eine koronare 1-Gefäßerkrankung bei Zustand nach Herzinfarkt und einen arteriellen Hypertonus. Aus kardialer Sicht könnten körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in Tagesschicht im Wechsel der Haltungsarten sechs Stunden täglich und mehr verrichtet werden. Eine Wegstrecke von mehr als 500 m könne der Kläger innerhalb von 20 min viermal täglich zurücklegen.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 19. März 2013 ab. Der Kläger könne mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.

In seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, der Schwerpunkt seiner Leiden liege auf den Unfallfolgen. Er verwies auf einen Befundbericht der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Z. vom 10. Mai 2007 und die dort enthaltene Leistungseinschätzung (leichte körperliche Tätigkeiten ohne Belastung des linken Beins und der Wirbelsäule, vorzugsweise im Sitzen, ohne langes Stehen, Laufen, Treppensteigen, Beugen oder Knien). Den Rentenantrag habe er wegen einer Verschlossenheit des Arbeitsmarkts gestellt. Seit neun Jahren sei ihm keine einzige Tätigkeit angeboten worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2013 zurück. Der Kläger könne noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen sechs Stunden täglich verrichten. Daher sei der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes obliege der Arbeitsverwaltung.

Dagegen hat der Kläger am 15. Juli 2013 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Er hat geltend gemacht: Im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs sei ein Leistungsvermögen zwischen drei und unter sechs Stu...

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