Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Feststellung von Hilfebedürftigkeit. Leistungsversagung wegen fehlender Mitwirkung. unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch den Grundsicherungsträger
Leitsatz (amtlich)
Es ist keine Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit aus § 66 Abs 1 S 1 SGB I, wenn der Leistungsträger den Sachverhalt nicht hinreichend aufklärt (hier: keine Anforderung lückenloser ungeschwärzter Auszüge vom eigenen Konto des Antragstellers).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des
Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum von Juli bis November 2015.
Der am ... 1954 geborene Kläger beantragte bei dem Beklagten am 26. Juni 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei gab er u. a. an, noch bis 31. Juli 2015 Arbeitslosengeld I und Wohngeld sowie bis Dezember 2015 monatlich 750 € aus dem Erbe seiner Mutter zu beziehen. Dem Kläger wurden die Checkliste zur Antragstellung mit Aufforderung zur Mitwirkung und Belehrung über die Rechtsfolgen gemäß §§ 60, 66 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) Allgemeiner Teil (SGB I) ausgehändigt und die Frist zur Abgabe fehlender Unterlagen auf den 23. Juli 2015 festgesetzt. Mit einer Zwischenmitteilung vom 21. August 2015 erinnerte der Beklagte den Kläger, der bereits Unterlagen eingereicht hatte, unter Fristsetzung bis zum 18. September 2015 an die Vorlage noch fehlender Unterlagen. Am 27. August 2015 legte der Kläger weitere Unterlagen vor und der Beklagte vermerkte die Vollständigkeit des Antrags. Darin hatte der Kläger u.a. angegeben, ab 1. Juli 2015 eine private Rentenversicherung abgeschlossen zu haben und es stehe ihm ein „Sonstiges Vermögen“ von „4800 in den nächsten 60 Monaten“ aus einer Erbschaft zu. Entsprechende monatliche Zahlungen gingen in den „geschützten Vertrag“ (= private Rentenversicherung). In der Anlage EK vermerkte die Sachbearbeiterin des Beklagten: „monatlicher Zufluss aus Erbe laut Kontoauszug. Nach eigenen Angaben reduziert sich der Zufluss für mindestens fünf Jahre auf monatlich 80 €. Verträge dazu existieren nicht.“ Weiter legte der Kläger den Versicherungsschein für seinen PKW Ford C-Max, Erstzulassung März 2010, mit einem Kilometerstand von 125.000, den Wohngeldbescheid der Stadt B. vom 13. August 2014 über monatliches Wohngeld in Höhe von 20 € bis 31. Juli 2015 und den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit Magdeburg) vom 30. August 2013 über die Bewilligung von Arbeitslosengeld I mit einer Anspruchsdauer von 720 Tagen vom 1. August 2013 bis 30. Juli 2015 in Höhe von 25,28 € täglich (758,40 € monatlich) vor. Des Weiteren legte er den gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts H. vom 18. März 2015 vor, wonach die Mutter M. am 5. Januar 2015 in N. gestorben und von ihren Söhnen F1, F2 und F3 zu je einem Drittel beerbt worden sei. Weitere Unterlagen betrafen einen Darlehensvertrag vom 8. August 2010, den die verstorbene Mutter, dabei vertreten von F1 als Betreuer, mit H. über ein Darlehen in Höhe von 32.000 € mit einer Laufzeit bis Juli 2022 abgeschlossen hatte. Die Rückzahlung sollte in monatlichen Raten ab Juli 2011 erfolgen und im Zeitraum von Juli 2012 bis Juni 2022 266 € im Monat betragen. Ausweislich einer Bescheinigung des Bruders F1 vom 10. August 2015 habe der Kläger bis Juli 2015 Abschlagszahlungen aus Darlehensrückzahlungen mit dem V-Verein G. in Höhe von 6.500 € bekommen. Damit sei das Darlehen abgegolten gewesen. Mit einer weiteren Bescheinigung vom 30. Juli 2015 bescheinigte F1, dass der Kläger bis Juli 2022 monatlich 80 € aus Darlehensrückzahlungen durch Überweisung erhalten werde. Den gleichfalls vorgelegten auszugsweisen Kontoauszügen vom Konto des Klägers für die Monate April und Juni bis August 2015 sind Überweisungen in Höhe von 12.000 € am 10. April 2015, 1.800 € am 15. Mai 2015, 1.000 € am 9. Juni 2015 sowie 750 € am 8. Juli 2015 zu entnehmen. Diese Überweisungen erfolgten unter dem Betreff „M.(…) SVWZ + Erbanteil) bzw. „F1. (…) SVWZ + Rate Nachlass aus Darlehensrückzahlungen“. Die DEVK bestätigte dem Kläger den Abschluss einer flexiblen Rentenversicherung ab 1. Juli 2015 mit monatlichen Zahlungen von 90 €.
Nach einem Aktenvermerk des Beklagten hat der Kläger am 8. September 2015 zum Erbe und den monatlichen Zahlungen erklärt, die Mutter habe zu Lebzeiten Gelder per Darlehensvertrag an einen V-Verein und eine Privatperson namens H. verliehen. Die Darlehensnehmer zahlten diese Darlehen monatlich ab und der Bruder F1 verwalte diese Zahlungen. Der Bruder zahle dem Kläger den zustehenden Anteil per Überweisung aus. Ab August 2015 reduziere sich der Anteil von 800 auf 80 €, weil das Darlehen mit dem Vermögens-Verwaltungs-Verein getilgt sei. Verblieben seien noch die Zahlungen aus dem Darlehen mit H. A...