Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. substantiierte Bedenken der Krankenkasse gegen eine stationäre Krankenhausbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das gesetzliche Prüfungsverfahren der Krankenkassen (KK) in Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten verlangt nicht, dass die KK nach Erhalt der Daten gemäß § 301 SGB 5 zur Klärung offener Fragen ausnahmslos den MDK beauftragen muss. Ergeben sich aus den übermittelten Daten gemäß § 301 SGB 5 bereits bei verständiger Würdigung auf Laienebene Zweifel, darf die KK vom Krankenhaus weitere Erläuterungen oder zumindest eine aktive Förderung des gesetzlichen Prüfverfahrens verlangen. Dies gilt insbesondere in Fällen der Abgrenzung zwischen vollstationärer Behandlung sowie vor- bzw nachstationärer Behandlung.

2. Nach einem konkludent erteilten Prüfauftrag der KK an den MDK ist das Krankenhaus verpflichtet, sich aktiv am Prüfverfahren zu beteiligen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.05.2013; Aktenzeichen B 3 KR 32/12 R)

 

Tenor

Dis Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 1.337,84 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Vergütungsanspruch für eine stationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.337,84 €.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolger des Landkreises M...,-Q dem vormaligen Träger des C...-Klinikums M... (im Folgenden: Krankenhaus). Der bei der Beklagten versicherte 1962 geborene A. M. wurde am 20. November 2006 (einem Montag) gegen 9.12 Uhr im Krankenhaus aufgenommen. Die Entlassung erfolgte am 22. November 2006 gegen 16.00 Uhr. Die vom Krankenhaus an die Beklagte übermittelten Einweisungsdiagnosen lauteten:

___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Stenose (Verengung) des Anus und des Rektums,

___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Chron-Krankheit des Dickdarms,

___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Chron-Krankheit des Dünndarms,

___AMPX_•_SEMIKOLONX___X psychische und Verhaltensstörung durch Tabak: schädlicher Gebrauch.

Nach den übermittelten Daten erfolgte beim Versicherten am 22. November 2006 ein endoskopischer Eingriff zur Erweiterung des Dickdarms. Das Krankenhaus rechnete den Behandlungsfall unter dem 27. November 2006 wie folgt ab:

 DRG-FPG 48 Z Kolloskopie mit äußerst schweren oder schweren CC oder kompliziertem Eingriff vom 20. November 2006 bis 21. November 2006

 2.024,50 €

 zusammengefasster Zuschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen

 15,79 €

 Systemzuschlag vollstationär

 0,90 €

 Ausbildungszuschlag

 39,35 €

 GemBa-Zuschlag

 0,65 €

 Investitionszuschlag

 24,00 €

 Qualitätszuschlag Sachsen-Anhalt

 1,16€

 Gesamtsumme:

 2.093,59 €

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 teilte die Beklagte dem Krankenhaus mit, die Prüfung des Behandlungsfalls sei “auffällig„. Es habe sich um eine planbare Operation gehandelt, die nicht am Aufnahmetag erbracht worden sei. Es seien keine Gründe erkennbar, die einer Leistungserbringung noch am Aufnahmetag entgegen gestanden hätten. Mit der Einführung der sog. vor- und nachstationären Behandlung als Krankenhausleistung habe der Gesetzgeber die Kosten der stationären Versorgung reduzieren wollen. Der Versicherte werde in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandelt, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären, die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten oder im Anschluss an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (§ 115 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung [SGB V]). Diese Intention des Gesetzgebers habe die Klägerin bei ihrer Abrechnung nicht beachtet. Die stationäre Behandlungsnotwendigkeit könne hier erst ab dem Operationstag anerkannt werden, was zu einer Rechnungskürzung von 1.337,84 € führe. Hiergegen machte das anwaltlich vertretene Krankenhaus mit, Schreiben vom 14. Februar 2007 geltend: Das Vorgehen der Beklagten sei rechtswidrig. Sie sei verpflichtet, die Rechnungssumme in voller Höhe zu begleichen, wenn innerhalb der Zahlungsfrist keine substantiierten und der Höhe nach bezifferte Einwendungen erhoben würden. Auch müsse sie bei Zweifeln an der Rechnungslegung im Rahmen des Prüfverfahrens gemäß § 275 Abs. 1 SGB V eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) einholen. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen und daher zur Zahlung verpflichtet. Demgegenüber hielt die Beklagte am 16. Februar 2007 an ihrer Ansicht fest und führte aus: Ihr Schreiben vom 22. Dezember 2006 enthalte detaillierte Ausführungen dazu, welche Einwendungen gegen die streitige Abrechnung konkret erhoben werden. Die stationäre Behandlungsnotwendigkeit werde nicht in Zweifel gezogen. Es sei aber kein medizinischer Grund erkennbar, warum die Operation nicht schon am Aufnahmetag durchgeführt worden sei. Wörtlich heißt es weiter:

“Wir bitten deshalb Ihren Mandanten, unsere Einwendungen nochmals zu überprüfen. Sollten Gründe vorliegen, die unsere Auffassung widerlegen, können diese gerne dem Medi...

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