Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszahlung zur Sozialversicherung. Überprüfungsverfahren nach § 28p SGB 4. Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers. Verfassungsmäßigkeit der Abführung von Arbeitgeberbeiträgen für Rentner. Verjährung vorsätzlich vorenthaltener Beiträge
Orientierungssatz
1. Die Zuständigkeitszuweisung des § 28p Abs 1 SGB 4 bezieht sich auf alle anlässlich der Prüfung gefundenen Erkenntnisse in Bezug auf die Versicherungs- und Beitragspflicht. Der Rentenversicherungsträger ist nicht gehalten, einen bestimmten Prüfzeitraum oder -umfang festzulegen oder dem Arbeitgeber gegenüber anzugeben und die Prüfung hierauf zu begrenzen.
2. Die Regelungen des § 172 Abs 1 SGB 6 und des § 346 Abs 3 SGB 3 begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BVerfG vom 16.10.1962 - 2 BvL 27/60 = BVerfGE 14, 312).
3. Vorsätzlich im Sinne von § 25 Abs 1 S 2 SGB 4 werden Beiträge vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragpflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführt. Dabei ist es im Sinne des sogenannten bedingten Vorsatzes ausreichend, wenn der Zahlungspflichtige die Nichtabführung des Beitrags als mögliche Folge seines Handels oder Unterlassens erkannt und diesen Erfolg billigend in Kauf genommen hat.
Tatbestand
Streitig ist ein Beitragsanspruch zur Renten- und Arbeitslosenversicherung gegen die Klägerin in Höhe von 16.953,62 Euro (= 33.158,40 DM).
Die Klägerin betreibt stationäre und ambulante Einrichtungen der Behinderten-, Alten- und Krankenpflege. Sie entstand am 1. Juni 1999 durch Umwandlung aus dem Pro Civitate Kreisverband (KV) B e.V.. Dieser wiederum war aus der Verschmelzung verschiedener Pro Civitate Kreis- und Landesverbände e.V. hervorgegangen, darunter der Pro Civitate KV D e.V. sowie der Pro Civitate KV B e.V. als aufnehmendem Verein. Dem lagen ein Verschmelzungsvertrag vom 22. August 1997 sowie entsprechende Beschlüsse der Mitgliederversammlungen der beteiligten Vereine vom gleichen Tag zugrunde. Die Eintragung erfolgte am 9. April 1998.
Der ... 1927 geborene Herr R D war mit Wirkung vom 1. Januar 1994 zum Geschäftsführer sowohl des Pro Civitate KV D e. V. als auch des Pro Civitate KV B e.V. bestellt worden. Dem lagen jeweils Dienstverträge zu Grunde, die bis auf einen Zusatz für den KV Bitterfeld e.V. wortgleich waren und dem Geschäftsführer ein festes Monatsgehalt einschließlich Urlaubsgeld und einer Gratifikation zum Septembergehalt, einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung bei Krankheit und einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen einräumten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Verwaltungsakten befindlichen Kopien der Verträge verwiesen (Bl. 24 - 28 und 35 - 39 der Verwaltungsakte).
Mit einem an den "Pro Civitate e. V. Pflegeheim N" in Sch adressierten Bescheid vom 9. November 1998 forderte die Beklagte für die Tätigkeit des Geschäftsführers Herrn D in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1995 bei dem Pro Civitate e. V. den Arbeitgeberanteil der Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten und der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von insgesamt 18.736,20 DM. Bei der Tätigkeit des Geschäftsführers sei von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die geforderten Beiträge wurden im Dezember 1998 beglichen.
Mit einem an den "Pro Civitate Pflegeheim" in J adressierten Schreiben vom 6. März 2001 kündigte die Beklagte für die Zeit vom 12. bis 13. März 2001 eine Betriebsprüfung für die Zeit ab 1. Januar 1997 an.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2001 forderte die Beklagte von der Klägerin den halben Beitrag zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für den Geschäftsführer Herrn D für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1998. Bei der am 20. März 2001 durchgeführten Betriebsprüfung sei im Rahmen der Schlussbesprechung Einvernehmen darüber erzielt worden, dass der Geschäftsführer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Es wurden Beiträge in Höhe von insgesamt 33.158,40 DM (16.953,62 Euro) nachberechnet.
Hiergegen legte die Klägerin am 21. Juni 2001 Widerspruch ein, den sie nicht begründete, obwohl die Beklagte sie mit Schreiben vom 28. Juni 2001 und vom 9. August 2001 ausdrücklich an die Widerspruchsbegründung erinnerte, zuletzt unter Fristsetzung von vier Wochen ab Zugang des Schreibens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2001, der Klägerin am 5. Dezember 2001 zugegangen, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück, da der angefochtene Beitragsbescheid der Sach- und Rechtslage entspreche und nicht zu beanstanden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am Montag, den 7. Januar 2002 beim Sozialgericht Dessau Klage erhoben. Die für das Jahr 1996 erhobenen Beiträge seien seit Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist am 31. Dezember 2000 verjährt. Die Klägerin habe die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten, da sie keine Kenntnis von der Beitragspflicht ihres Geschäftsführers gehabt habe. D...