Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Begründung von Versicherungspflicht bei Scheinarbeitsvertrag zur Krankheitsabsicherung. Rechtsmissbrauch. Beweislast. Beweislastumkehr wegen Beweisvereitelung
Leitsatz (amtlich)
1. Begründen Vertragsparteien ein Arbeitsverhältnis übereinstimmend allein mit Blick auf den fehlenden Krankenversicherungsschutz und in Kenntnis der schweren Erkrankung der Arbeitnehmerin ohne die ernstliche Absicht einer tatsächlichen Vertragsdurchführung, handelt es sich auch bei kurzzeitiger tatsächlicher Arbeitsaufnahme um eine missbräuchliche Rechtsgestaltung, die keine Krankenversicherungspflicht begründet.
2. Zur Beweislast für den Rechtsmissbrauch in einem solchen Fall.
3. Vereitelt ein nicht beweisbelasteter Beteiligter die Aufklärung einer entscheidungserheblichen Tatsache ohne rechtfertigenden Grund (hier: keine Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht), kann dies zu einer Beweislastumkehr in Bezug auf die Tatsachen führen, deren Feststellung vereitelt wurde.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Anerkennung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit ihrem im Verlaufe des Rechtsstreits verstorbenen Vater für die Zeit ab dem 1. April 2005. Beigeladen sind Pflegekasse, Bundesagentur für Arbeit und Deutsche Rentenversicherung Bund. Die Beigeladene zu 4) ist Witwe und Erbin des ursprünglich als Arbeitgeber beigeladenen Vaters.
Die 1976 geborene Klägerin ist Eigentümerin des bebauten Grundstücks D. in N. Laut Auskunft des Gewerbeamtes der Stadt S. hat dort ihr Vater, geboren 1934, seit 1994 den Betrieb einer Imbisswirtschaft mit Getränkeverkauf angemeldet. Nach dem Mietvertrag vom 1. Juni 1998 hat die Klägerin das Grundstück für 15 Jahre zum Betrieb einer Ausflugsgaststätte an ihren Vater vermietet. Anstelle eines Mietzinses war vereinbart, dass der Vater den Ausbau des Hauses zum Betrieb einer Ausflugsgaststätte übernimmt. Nach einer Vertragsänderung im Jahre 2002 betrug der Mietzins 410,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer monatlich und sollte mit bestehenden Forderungen des Vaters für Bauleistungen auf dem Grundstück (31.404,19 EUR) verrechnet werden.
Am 11. April 2005 ging bei der Beklagten ein von der Klägerin und ihrem Vater unterzeichneter Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen ein. Beigefügt waren ein Arbeitsvertrag vom 24. März 2005, der Mietvertrag aus 1998 und eine Erklärung des Vaters, dass er den Kaufpreis für das Mietgrundstück seinerzeit selbst gezahlt habe und die Klägerin lediglich auf Anraten des Steuerberaters als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden sei. Nach dem Arbeitsvertrag (Bl. 3 Verwaltungsakte = VA) betrug das monatliche anfängliche Grundgehalt 405,00 EUR brutto bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Der Tätigkeitsbereich der Klägerin sollte "den gesamten administrativen Bereich insbesondere den Aufbau und die Entwicklung einer touristischen Einrichtung" umfassen. In dem Feststellungsbogen ist u. a. angegeben, dass die Mitarbeit der Klägerin seit dem 1. April 2005 erfolge und das Arbeitsentgelt regelmäßig auf ein Konto überwiesen werde, für das die Klägerin verfügungsberechtigt sei. Die Klägerin sei wie eine fremde Arbeitskraft weisungsgebunden in den Betrieb ihres Vaters eingegliedert und übe die Tätigkeit tatsächlich aus. Diese sei nicht wie bei familienhafter Mitarbeit durch gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ohne die Mitarbeit müsste eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Die Klägerin wirke bei der Führung des Betriebes z. B. auf Grund besonderer Fachkenntnisse mit; sie habe den Beruf einer Gymnastiklehrerin gelernt. Neben dem Arbeitsverhältnis der Tochter bestünde kein weiteres Arbeitsverhältnis.
Mit Bescheid vom 28. April 2005 stellte die Beklagte fest, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Insbesondere könne bei einem Stundenlohn von 2,53 EUR (40 Stunden/Woche bei 405,00 EUR/Monat) nicht ein tatsächlich ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis angenommen werden. In ihrem Widerspruch vom 2. Mai 2005 verwies die Klägerin auf ein "aufklärendes Telefonat", das ihr Vater mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführt habe. Weiterhin legte sie einen undatierten "Arbeits-Ergänzungsvertrag" vor, wonach in Abänderung des bisherigen Vertrages die wöchentliche Arbeitszeit anfänglich 25 Stunden und das anfängliche monatliche Gehalt 650,00 EUR betrage. Weiter heißt es: "Diese Vereinbarung gilt zunächst für 12 Monate und endet am 30.04.2006." Schließlich war dem Widerspruch der Klägerin eine Erklärung ihres Vaters vom gleichen Tage beigefügt (Bl. 15 VA), wonach dieser seit mehr als 35 Jahren selbständig sowohl im Inland als auch im Ausland tätig gewesen sei. Er sei in der Lage "außer deutsch in drei weiteren Sprachen zu agieren". Seine kaufmännischen und betr...