Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere spezifische Leistungsbehinderung. Fehlbildung der Hände. Umschulung. IHK-Abschluss. Verweisbarkeit. Rente wegen Erwerbsminderung. Zeitliches Leistungsvermögen. Medizinische Beweiswürdigung. Mediengestalter. Beweiswert einer erfolgreichen Umschulung. Bedienung einer Tastatur. Publikumsverkehr. Entstellung
Leitsatz (amtlich)
Versicherte, die einen Beruf im Rahmen einer Umschulung bei einem Berufsförderwerk erlernt und die anschließende Prüfung vor einer Industrie- und Handelskammer bestanden haben (hier: Mediendesign), können zur Abwendung von Erwerbsminderung auf diesen (Umschulungs-)Beruf gesundheitlich zumutbar verwiesen werden.
Insbesondere kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass der (Umschulungs-)Beruf wegen gesundheitlicher Defizite (hier: angeborene Missbildung der Hände) nicht wettbewerbsfähig ausgeübt werden könne. Vielmehr ist das erfolgreiche Ablegen der Prüfung vor der IHK als Nachweis der Befähigung anzusehen, den erlernten (Umschulungs-) Beruf vollwertig und wettbewerbsfähig ausüben zu können.
Normenkette
SGB VI § 43
Verfahrensgang
SG Halle (Saale) (Urteil vom 21.09.2005; Aktenzeichen S 10 RJ 683/03) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit ihrem Berufungsverfahren die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 1. April bis zum 31. August 2003 sowie einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2003 nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), insbesondere wegen einer angeborenen Fehlbildung der Hände. Sie ist als Schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt (Bescheid des Amtes für Versorgung und Soziales Halle vom 7. Juni 1995).
Die am … 1974 geborene Klägerin absolvierte nach Abschluss der Zehnten Klasse der Polytechnischen Oberschule ab 1990 eine Ausbildung zur Handelsfachpackerin. Den Berufsschulabschluss erwarb sie am 12. Juni 1992. Die kaufmännische Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) H… -D… legte sie am 26. Juni 1992 ab. Anschließend war sie für drei Monate in Kurzarbeit im Ausbildungsbetrieb beschäftigt und wurde dann arbeitslos. Zwischen 1993 und 1995 übte sie nach ihren Angaben verschiedene kurzzeitige Tätigkeiten als Imbissverkäuferin aus. Von März bis Juni 1995 war sie selbstständig tätig. Die Klägerin bezog von der Beklagten vom 1. September 1995 bis zum 31. Dezember 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit.
Vom 15. Juni 1999 bis zum 12. Juni 2001 absolvierte die Klägerin auf Veranlassung und auf Kosten der Beklagten eine Umschulung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien (Mediendesign) und schloss diese Ausbildung am 26. Juni 2001 erfolgreich mit der Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer zu L… ab. – Die Bewilligung der Rente auf Zeit war bis zum Ende der Ausbildung, d.h. bis zum 30. Juni 2001, verlängert worden. Der Weitergewährungsantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. – Der Ausbildung zur Mediengestalterin waren eine Eignungsprüfung und eine Arbeitserprobung beim Berufsförderungswerk (BfW) L… vorausgegangen. In dessen Einschätzungen vom 25. November 1998 und vom 6. Januar 1999 wurde die Klägerin unter Berücksichtigung einer angeborenen Miss- und Fehlbildung der Finger und einer Sehschwäche des linken Auges bei fehlendem Stereosehen für kaufmännische Berufe, Verwaltungs- sowie Druck- und Medienberufe als bedingt geeignet angesehen, weil sie bei der Benutzung des PC sehr eingeschränkt sei. Zwar könne sie eine Maus problemlos bedienen, die Benutzung der Tastatur sei aber nur mit erhöhtem Zeitaufwand möglich. Als Mediengestalterin sei sie wegen der dort erforderlichen Textbearbeitung nur bedingt geeignet. Die intellektuellen Fähigkeiten für eine Umschulungsmaßnahme lägen vor. Notwendig sei ein behindertengerecht ausgestatteter Arbeitsplatz, z.B. mit speziellen Diktierprogrammen. In zwei Leistungsbeurteilungen des BfW L… vom 14. Dezember 1999 und vom 19. Juni 2000 wurde ihr zunächst im Fach Computerschreiben keine Note erteilt, später erhielt sie die Note 2,5. Die übrigen Noten für Fachkompetenz lagen bei der zweiten Beurteilung zwischen 2,0 und 3,1. Hinsichtlich Belastbarkeit/Ausdauer und Arbeitstempo erfülle sie nur bedingt die Anforderungen. Im Rahmen eines vom 25. September bis zum 22. Dezember 2000 durchgeführten Praktikums bei der Firma m… Werbung und druck, M…, wurde die Klägerin als “gut geeignet” eingeschätzt. Eine Einstellung schloss der Praktikumsbetrieb wegen der schlechten Auftragslage aus. Im Rahmen der sich an die Umschulung anschließenden Integrationsbetreuung wurde der Klägerin im August 2001 ein Stellenangebot übersandt; es kam jedoch nicht zu einem Beschäftigungsverhältnis.
Die Klägerin war vom 24. Juli 2002 bis zum 31. August 2003 als Produktionshelferin beschäftigt und musste dort nach ihren Angaben Lebensmittel auf Paletten stapeln. Sie bezog Krankengeld...