Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Anhebung der Altersgrenze. Abschläge. Rentenwert (Ost). sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Klagebegründung erst nach der Anhörung zu dem beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides eingegangen, kann eine neue Anhörung erforderlich sein.
2. Die Anhebung der Altersgrenze für Altersrenten in Verbindung mit den Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme ist nicht verfassungswidrig (vgl BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua = BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16; BSG vom 19.11.2009 - B 13 R 5/09 R = SozR 4-2600 § 236 Nr 1 und vom 25.2.2010 - B 13 R 41/09 R).
3. Bei der Anwendung des aktuellen Rentenwertes (Ost) handelt es sich um eine nicht verfassungswidrige Entscheidung des Gesetzgebers (vgl BSG vom 14.3.2006 - B 4 RA 41/04 R = SozR 4-2600 § 255a Nr 1 und vom 4.1.2013 - B 13 R 357/11 B).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 17. September 2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine höhere Altersrente ohne die Berücksichtigung der Verminderung des Zugangsfaktors wegen vorzeitiger Inanspruchnahme und unter Zugrundelegung des aktuellen Rentenwerts statt des aktuellen Rentenwerts (Ost).
Die am ... 1945 geborene und im Beitrittsgebiet wohnhafte Klägerin beantragte am 11. Februar 2005 bei der Beklagten eine Altersrente für Frauen ab dem 01. Juni 2005 (Vollendung des 60. Lebensjahres). Diese Rente wurde ihr mit Bescheid vom 07. Juni 2005 wie beantragt bewilligt, wobei die Beklagte bei der Berechnung der Rente den Zugangsfaktor wegen vorzeitiger Inanspruchnahme (5 Jahre = 60 Monate) von 1,0 um 0,180 (60 Monate mal 0,003) auf 0,820 kürzte und den aktuellen Rentenwert (Ost) anwandte.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2012 setzte die Beklagte die Rente neu fest, wobei sie die Kürzung des Zugangsfaktors und die Anwendung des aktuellen Rentenwertes (Ost) beibehielt. Dagegen legte die Klägerin am 14. August 2012 Widerspruch ein, mit dem sie die Kürzung des Zugangsfaktors und die unterschiedliche Behandlung von Rentnern in Ost und West rügte. Die Abschläge seien verfassungswidrig. Dies gelte insbesondere für die Kürzung des Zugangsfaktors auch nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Dadurch drohe ihr die Altersarmut. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2013 zurück. Die Berechnung der Höhe der Rente der Klägerin entspreche den gesetzlichen Grundlagen. Diese seien auch verfassungsgemäß.
Daraufhin hat die Klägerin am 15. Februar 2013 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben, die sie zunächst nicht begründet hat. Mit Verfügung vom 12. August 2013 hat das SG der Klägerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Sie erhalte bis zum 10. September 2013 Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Mit Schriftsatz vom 21. August 2013 - bei Gericht eingegangen am 22. August 2013 - hat die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung vorgetragen, sie habe wegen Arbeitslosigkeit vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen. Für sie habe Vertrauensschutz dahingehend gegolten, dass sie ab dem 60. Lebensjahr ihre Rente ohne Abschläge beziehen könne. So sei sie von Mitarbeitern des Arbeitsamtes informiert worden. Aus Gründen der Fairness sei in ihrem Falle zu prüfen, ob nicht zumindest nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Rente ohne Abschläge zu zahlen sei. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe die Ansicht vertreten, dass die Altersrente für Frauen mit Abschlägen verfassungswidrig sei. Ohne die Klägerin erneut anzuhören, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2013 abgewiesen. Sowohl die Kürzung des Zugangsfaktors als auch die Anwendung des aktuellen Rentenwertes (Ost) seien von den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen. Diese Bestimmungen seien auch nicht verfassungswidrig, was sowohl vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als auch vom BSG so gesehen werde.
Gegen den am 28. September 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. Oktober 2013 Berufung beim SG eingelegt, das das Rechtsmittel an das Landessozialgericht weitergeleitet hat. Wegen ihrer geringen Rente sei sie von Altersarmut betroffen und voll von ihrem Ehemann abhängig. In den letzten Jahren habe es in vielen Bereichen Preissteigerungen gegeben. Sie hätte gern bis zu ihrem 65. Lebensjahr gearbeitet, dies sei aber nicht möglich gewesen, weil sie wegen ihres Lebensalters keine Festanstellung mehr erhalten habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 17. September 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 18. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2013 zu verurteilen, ihr ab dem 01. Juni 2010 eine höhere Altersrente auf der Grundlage eines ungeminderten Zugangsfaktors von 1,0 und des aktuellen Rentenwerts statt des aktuellen Rentenwerts (Ost) zu zahlen.
Di...