Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Einkommen auf bewilligte Witwerrente
Orientierungssatz
1. Nach § 97 Abs. 1 SGB 6 ist Einkommen auf die Witwerrente anzurechnen. Bezogenes Einkommen hat der Witwer während der bewilligten Witwerrente nach § 60 Abs. 1 S. 2 SGB 1 unverzüglich mitzuteilen.
2. Hat der Witwer seine Mitwirkungspflicht zur unverzüglichen Mitteilung von Einkommensänderungen grob fahrlässig nicht erfüllt, so ist die Bewilligung der Witwerrente nach § 48 Abs. 1 SGB 10 ganz oder teilweise aufzuheben, und zwar regelmäßig rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an.
3. Fällt die Überzahlung der Witwerrente ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Witwers und beruht sie auf der Verletzung dessen Mitwirkungspflicht, so ist die Bewilligung rückwirkend teilweise bzw. vollständig aufzuheben.
4. Die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundene Erstattungspflicht stellt keine besondere Härte i. S. des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB 10 dar.
5. Eine unterbliebene erforderliche Anhörung kann nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 SGB 10 bis zur letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz nachgeholt werden.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. April 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 4. September 2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2013 werden aufgehoben, soweit die Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 9. August 1999 bis 30. Juni 2000 aufgehoben hat.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Witwerrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis 31. Juli 2013 und die Rückforderung überzahlter Leistungen i.H.v. 11.101,06 EUR im Streit.
Der am ... 1950 geborene Kläger bezog nach dem Tod seiner bei der Beklagten versicherten Ehefrau ab 1. August 1996 Witwerrente (Bescheid vom 28. November 1996). Er war seinerzeit als Kraftfahrer tätig. Die Beklagte ermittelte das auf die Rente anzurechnende Erwerbseinkommen und wies darauf hin, dass Änderungen beim Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen seien.
Der Kläger bezog ab dem 2. Dezember 1996 zunächst Arbeitslosengeld und ab 1. März 1998 Arbeitslosenhilfe, die bis zum 28. Februar 1999 bewilligt wurde (Bescheide des Arbeitsamts M. vom 25. Februar und 6. März 1998). Auf die Anforderung von Einkommensnachweisen vom 12. August 1998 legte der Kläger unter dem 18. August 1998 Kopien der o.g. Bescheide des Arbeitsamts M. vor. Diese hatte er jeweils handschriftlich unterschrieben und eigenhändig die Versicherungsnummer seiner Ehefrau darauf notiert. Das Arbeitsamt M. teilte der Beklagten unter dem 7. September 1998 die Höhe des bis 31. Dezember 1997 bezogenen Arbeitslosengelds mit.
Der Kläger nahm zum 1. September 1998 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Kraftfahrer auf, die er mit kurzzeitigen Unterbrechungen bis zur Altersrente ausübte. Eine Mitteilung der Arbeitsaufnahme oder eine Vorlage von Verdienstnachweisen an die Beklagte ist in den Verwaltungsakten nicht dokumentiert.
Mit Änderungsbescheid vom 7. Oktober 1998 berechnete die Beklagte die Witwerrente ab 2. Dezember 1996 neu. Ab 1. März 1998 treffe die Rente nicht mehr mit Einkommen zusammen. Die Beklagte wies darauf hin, dass Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen seien.
Das Arbeitsamt M. machte am 6. November 1998 einen Erstattungsanspruch für bewilligte Arbeitslosenhilfe vom 1. März bis 31. August 1998 geltend.
Im Zusammenhang mit der Kontenklärung für die Altersrente des Klägers im Jahr 2002 wurden u.a. ab 1. September 1998 Pflichtbeiträge vorgemerkt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Altersrente ab 1. Juni 2013 mit einem laufenden Leistungsbezug ab 1. Juli 2013 (Bescheid vom 17. Mai 2013). Die Nachzahlung für Juni 2013 i.H.v. 753,72 EUR behielt sie vorläufig ein. Für Juli 2013 ergab sich ein Zahlbetrag von 778,51 EUR.
Im Zusammenhang mit der Anfrage nach Erstattungsansprüchen auf die Altersrente übermittelte das Dezernat 4918 (Altersrente) dem Dezernat 4901 (Witwerrente) am 27. Mai 2013 das Versicherungskonto des Klägers. Mit Bescheid vom 4. Juni 2013 berechnete die Beklagte die große Witwerrente ab 1. März 1998 neu. Für die Zeit vom 1. März 1998 bis 31. Juli 2013 ergebe sich eine Überzahlung i.H.v. 11.101,06 EUR. Nach der Anlage 8 zum Bescheid ergab sich keine Änderung in der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. September 1998 bis zum 30. Juni 1999 und vom 9. August 1999 bis zum 30. Juni 2000. Bei der Einkommensanrechnung legte die Beklagte das Erwerbseinkommen des vorangegangenen Kalenderjahres zu Grunde, soweit nicht das zuletzt zuvor festgestellte, wenigstens um 10% geringere Einkommen zu berücksichtigen war. Ab 1. Juli 2000 bis Mai 2013 erfolgte eine Anrechnung von Erwerbseinkommen, danach die Anrechnung der Altersre...