Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. mehrtägige Klassenfahrt. klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienreise ins Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt sehen die Schulfahrt im Klassen- oder Kursverband als Regelfall vor.
2. Bei einem vom Klassen- oder Kursverband abweichenden Kreis der Teilnehmenden setzt das Landesrecht eine Besonderheit der Veranstaltung voraus; die diesen abweichenden Kreis erforderlich macht.
3. Eine solche Besonderheit der Veranstaltung ist bei einer innerhalb einer Projektwoche stattfindenden klassen- und jahrgangsübergreifenden Studienreise nach London nicht feststellbar. Insbesondere fehlte es an einer (vorherigen) Verbundenheit der Teilnehmenden, so dass eine Ausgrenzung aus finanziellen Gründen nicht zu befürchten ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine Projektfahrt nach London.
Die 1998 geborene Klägerin nahm als Schülerin der 10. Klasse des Gymnasiums Q. vom 6. bis 11. Juli 2015 (Montag bis Samstag) an einer Studienreise nach London teil. Die Reise fand im Rahmen der Projektwoche der Schule statt. 44 Plätze waren für die Schüler der Klassen 10 bis 12 vorhanden. Die Kosten für die Fahrt beliefen sich auf 388,00 EUR. Nach einem Aushang der Fachlehrerin J. waren die einzigen Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Projekt "Londonfahrt" die Eintragung auf einer Liste sowie eine unterzeichnete Teilnahmeerklärung der Eltern. Wer hiernach zuerst in der Liste stand, konnte teilnehmen ("first come, first served") . Die Bezahlung durch den Vater der Klägerin erfolgte als Anzahlung am 29. Oktober 2014 (48,00 Euro) und als Restzahlung am 4. Mai 2015.
Die Klägerin befand sich im Juli 2015 aufgrund des Bescheides vom 24. Februar 2015 im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der Vater beantragte als ihr gesetzlicher Vertreter unter dem 24. Oktober 2014 die Übernahme der Kosten i.H.v. ca. 400,00 EUR. Der Antrag ging bei der Beklagten am 12. November 2014 ein. Nach Einholung einer telefonischen Auskunft bei der für die Londonfahrt verantwortlichen Fachlehrerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. November 2014 eine Kostenübernahme ab. Die Fahrt falle nicht unter die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus, es sei nicht maßgebend, dass die gesamte Klasse teilnehme, sondern dass es sich - wie hier - um eine von der Schule organisierte Fahrt gehandelt habe, die üblicherweise am Ort der Schule angeboten werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da die Studienreise für die Klägerin nicht verpflichtend gewesen sei. Es habe sich gerade nicht um eine Klassenfahrt gehandelt. Eine Ausgrenzung der Klägerin bei Nichtteilnahme sei nicht zu befürchten gewesen, da ein Großteil der Schüler gar nicht teilgenommen habe.
Die Klägerin hat am 8. Juni 2015 Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Es sei zur Vermeidung einer Diskriminierung an der Schule erforderlich, dass sie auch an nicht verpflichtenden Veranstaltungen teilnehmen könne. Es komme einer Kennzeichnung der SGB II-leistungsberechtigten Schüler gleich, wenn sie von derartigen Angeboten ausgeschlossen seien. Bei der Projektfahrt habe es sich um eine im Rahmen der Projektwoche durchgeführte Reise und damit um einen Teil der schulischen Ausbildung gehandelt. Der Beklagte hat erwidert, nach den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt sei die Studienreise gerade keine verpflichtende Klassenfahrt gewesen. Die Teilnahme an der Reise sei freigestellt gewesen. Das SG hat auf der Internetseite des Gymnasiums festgestellt, dass im Schuljahr 2014/15 vier 10. und jeweils drei 11. und 12. Klassen mit insgesamt mehr als 200 Schülern beschult wurden.
Mit Urteil vom 26. Januar 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II i.H.v. 388,00 EUR für die Teilnahme an der Studienreise nach London. Bei dieser handele es sich nicht um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt. Insoweit sei auf die Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten (Runderlass des Ministeriums für Kultur vom 6. April 2013 - 22-82021, SVBl. LSA 2013, Seite 59 ff., im Folgenden: MK-RdErl.) abzustellen. Der Begriff Klassenfahrt finde sich hier zwar nicht. Nach Nr. 4 der Richtlinien würden Schulfahrten aber als schulische Veranstaltung in der Regel im Klassen- und Kursverband durchgeführt, soweit nicht Besonderheiten der Veranstaltung einen hiervon abweichenden Kreis der Teilnehmenden e...