Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. betriebliche Voraussetzung. VEB Minol. Versorgungsbetrieb. Neueinbeziehungsverbot. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Das AAÜG ist nur dann anwendbar, wenn eine konkrete Zusage auf Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem (hier: zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) vorliegt. Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG lässt sich eine Erweiterung der Anwendbarkeit des AAÜG auf Personen, die am 30.6.1990 einen Anspruch auf Einbeziehung bzw auf eine Versorgungszusage gehabt hätten, nicht begründen (Entgegen BSG vom 9.4.2002 - B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 2).
2. Der VEB Minol war kein gleichgestellter Versorgungsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 ZAVtIVDBest 2.
Orientierungssatz
Der VEB Kombinat Minol bzw der VEB Minol waren keine Produktionsbetriebe iS des § 1 Abs 1 ZAVtIVDBest 2 und auch keine gleichgestellten Betriebe iS des § 1 Abs 2 ZAVtIVDBest 2. Diese VEBs waren insbesondere keine Versorgungsbetriebe "Energie".
Tenor
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 3. August 2006 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Feststellungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem wegen der Beschäftigung ihres 1949 geborenen und am 2009 verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Berechtigter) geltend.
Der Berechtigte, der zum Zeitpunkt seines Todes mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt lebte, war ausweislich des Zeugnisses der Technischen Hochschule O. v. G. M. vom 22. Juli 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur zu führen. Durch Urkunde vom Januar 1975 wurde ihm zudem der akademische Grad Diplom-Ingenieur verliehen. Er war im umstrittenen Zeitraum von September 1974 bis Juni 1990 beim VEB Minol M. bzw. VEB Kombinat Minol (im Folgenden: VEB Minol) beschäftigt. In dieser Zeit übte er ausweislich der Bescheinigung der T.F.E. D. GmbH vom 26. Februar 2001 folgende Tätigkeiten aus:
1974 bis 1977: Bereichsleiter Technik und Bauleiter Tankstellen 1977 bis 1983: Aufbauleiter des Versorgungstanklagers K. 1984 bis 1986: Betriebsleiter Tanklager K. ab Februar 1986: Stellvertreter des Direktors für Investitionen ab Januar 1987: Direktor für Investitionen (ausweislich der Berufungsurkunde vom 31. Dezember 1986 mit dem Zusatz Anlagenbau, Investitionsvorbereitung und Investitionsdurchführung).
Ab 1. Februar 1990 war der Berechtigte ausweislich des Überleitungsvertrages zwischen dem VEB Kombinat Minol, dem VEB Minol M. und ihm selbst als Leiter des Tanklagers K. tätig.
Der VEB Minol M. stellte seine Tätigkeit mit Wirkung vom 15. März 1990 ein, Rechtsnachfolger wurde der VEB Kombinat Minol mit Sitz in B ... Die Löschung des Kombinates im Zuge der Umwandlung in die Nachfolge-Kapitalgesellschaft Minol Mineralölhandel AG wurde am 7. August 1990 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Ausweislich des Urteils des LSG Berlin-Brandenburg zum VEB Minol vom 3. Juni 2010 (L 17 R 283/08; anhängig beim BSG unter B 5 RS 3/10 R) wurde die Nachfolge-Kapitalgesellschaft Minol Mineralölhandel AG erstmalig am 10. Juli 1990 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen; am 19. Dezember 1990 wurde die Eintragung in das Handelsregister des AG Charlottenburg umgeschrieben (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rdnr. 31).
Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zahlte der Berechtigte nicht; die schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt er ebenfalls nicht.
Den Antrag des Berechtigten vom 13. April 2004 auf Feststellungen von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) für den Zeitraum vom 1. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2005 mit der Begründung ab, dass der Berechtigte nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Gegen den Bescheid legte der Berechtigte am 7. Februar 2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass der VEB Minol ein Versorgungsbetrieb und damit ein den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie oder des Baus gleichgestellter Betrieb gewesen sei, denn er sei für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit flüssigen Energieträgern (Kraftstoffe und Flüssiggas) zuständig gewesen. Zudem seien ihm viele Ingenieure bekannt, die im Kombinat Minol gearbeitet hätten wie er, und bei denen bereits eine definitive Anerkennung nach dem AAÜG erfolgt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Berechtigten zurück. Der VEB Minol sei der Wirtschaftsgruppe 52211 (Produktionsmittel-Handel mit Erzeugnissen der Industrie (ohne Lebensmittelindustrie)) zugeordnet gewesen. Dem Betrieb habe weder die industrielle Fertigung von Sachgütern das Gepräge gegeben ...