Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente. Anwendung der Neuregelungen des § 6 UnbilligkeitsV. Widerspruchsbescheid vor dem 31.12.2016. Abschluss Eingliederungsvereinbarung kein atypischer Umstand
Leitsatz (amtlich)
1. Die am 1.1.2017 in Kraft getretene Regelung von § 6 UnbilligkeitsV ist nicht auf Sachverhalte anzuwenden, in denen das Widerspruchsverfahren mit dem Widerspruchsbescheid als letzter Behördenentscheidung vor dem 31.12.2016 bereits beendet war.
2. Eine noch gültige Eingliederungsvereinbarung hindert den Leistungsträger nicht, den Leistungsberechtigten zu einer vorzeitigen Altersrentenantragstellung aufzufordern (§ 12a S 2 Nr 1 SGB II), da sich allein aus dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung keine atypischen Umstände ableiten lassen (vgl LSG Halle vom 12.4.2017 - L 5 AS 340/16 B ER = ZFSH/SGB 2017, 770, juris RdNr 30).
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Verpflichtung der Klägerin, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen.
Die am ... 1951 geborene Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) bezog seit dem 1. Januar 2005 vom Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Klägerin ist Eigentümerin eines freistehenden Einfamilienhauses, welches mit Öl beheizt wird.
Der Beklagte schloss mit der Klägerin am 21. September 2012 eine Eingliederungsvereinbarung. Diese hatte eine Gültigkeit bis zum 29. September 2014, sofern keine neue Eingliederungsvereinbarung im Gültigkeitszeitraum geschlossen werde. In dieser war festgelegt, dass der Beklagte bei der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei vorheriger Antragstellung Zuschüsse gewähren und bei Bedarf Umzugskosten oder Mittel für die getrennte Haushaltsführung bereitstellen könne. Auch könne eine Arbeitsaufnahme durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen und vorheriger Antragstellung durch den Arbeitgeber unterstützt werden.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2013 und zahlreichen Änderungsbescheiden (wegen der Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung zum Fälligkeitszeitpunkt) gewährte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014. Im gesamten Zeitraum fand keine Anrechnung von Erwerbseinkommen statt, da die Klägerin keiner Erwerbstätigkeit nachging.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2014 forderte der Beklagte die Klägerin auf, bis zum 28. Februar 2014 eine Bescheinigung des Rentenversicherungsträgers vorzulegen, ab wann die Klägerin frühestens eine Rente beziehen könnte. Dieses Schreiben enthielt zusätzlich den Hinweis, dass die Klägerin verpflichtet sei, einen Antrag zu stellen, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet habe und ab diesem Zeitpunkt eine geminderte Altersrente beziehen könne. Am 31. Januar 2014 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten in den Geschäftsräumen des Beklagten statt. In diesem wies der Beklagte die Klägerin auf die Altersrente mit 63 Jahren hin und händigte ihr das Schreiben vom vorherigen Tage aus. Er wies darauf hin, dass nach der Einreichung der Bescheinigung und deren Prüfung eine gesonderte Aufforderung ergehen werde.
Am 20. Februar 2014 reichte die Klägerin eine am 18. Februar 2014 erstellte Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) ein. Danach werde die Regelaltersgrenze am 21. August 2016 erreicht. Die voraussichtliche Regelaltersrente betrage 767,44 Euro bei Zugrundelegung der bisher bereits gezahlten Beiträge, bzw. 796,68 Euro, sollten die Beiträge der letzten fünf Jahre weitergezahlt werden (ohne Rentenanpassungen). Die Klägerin könne ebenfalls eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bzw. für Frauen in Anspruch nehmen. Dies wäre ohne Abschläge ab 1. April 2016 und mit einer Minderung von 18 % der Rente bereits ab dem 1. April 2011 möglich. Eine Altersrente für langjährige Versicherte könne ebenfalls mit Abschlägen in Höhe von 8,7 % ab dem 1. April 2014 bezogen werden.
Daraufhin forderte der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 21. Februar 2014 auf, bis zum 10. März 2014 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Nach den vorliegenden Unterlagen könne sie einen Anspruch auf Altersrente haben und sie sei verpflichtet einen Antrag zu stellen, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und einen Anspruch auf geminderte Altersrente habe. Auch sei er berechtigt, diesen Antrag selber nach § 5 Abs. 3 SGB II zu stellen, sollte die Klägerin dies ihrerseits unterlassen. Mit Schreiben vom selben Tage meldete der Beklagte einen Erstattungsanspruch gegenüber der Deutschen Rent...