Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Gesamt-GdB von 50. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Psyche. regelmäßige sportliche Aktivitäten. uneingeschränkte aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. keine GdB-Erhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine den GdB erhöhende Berücksichtigung von regelmäßigen sportlichen Aktivitäten (Gymnastik, Fahrradfahren, Yoga, Schwimmen, Spazierengehen mit dem Hund) scheidet grundsätzlich aus. Im Übrigen spricht eine solche uneingeschränkte aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gegen die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.

 

Orientierungssatz

1. Psychische Anpassungsschwierigkeiten nach Teil B Nr 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zu § 2 VersMedV), die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, erfordern auch dann eine Kontaktschwäche und Vitalitätseinbußen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (vgl Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 8./9.11.2000).

2. Zur GdB-Feststellung im Hinblick auf weitere Gesundheitsstörungen nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, insbesondere nach Teil B Nr 10.2.3 (Bauchfellverwachsung), Teil B Nr 12.2.4 (Harninkontinenz), Teil B Nr 18.9 (Wirbelsäulenschäden) und Teil B Nr 18.14 (Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

Der Beklagte stellte bei der am ... 1951 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 12. April 1994 einen GdB von 20 nach der Entfernung der Gebärmutter fest. Mit Bescheid vom 1. Oktober 1998 stellte er einen GdB von 30 aufgrund einer Unterleibserkrankung mit Verwachsungen (Einzel-GdB 20) und einer Depression (Einzel-GdB 20) fest. Weitere Neufeststellungsanträge der Klägerin wegen Funktionseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), Funktionseinschränkungen der Hand- und Fingergelenke in Folge rheumatischer Veränderungen, Osteoporose und einer Erkrankung am Fibromyalgiesyndrom lehnte der Beklagte ab. Einen weiteren Neufeststellungsantrag stellte die Klägerin am 22. Januar 2007. Nach medizinischer Sachaufklärung, insbesondere nach Auswertung der Epikrise der psychiatrischen Tagesklinik A.-St., schlug der ärztliche Dienst des Beklagten vor, die seelische Gesundheitsbeeinträchtigung nunmehr mit einem GdB von 30 und den Gesamt-GdB mit 40 zu bewerten. Dem folgend stellte der Beklagte bei der Klägerin mit Bescheid vom 7. Juni 2007 einen GdB von 40 fest.

Mit Antrag vom 12. Januar 2011 machte die Klägerin die Verschlimmerung ihrer Leiden geltend. Der Beklagte holte zunächst einen Befundschein der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie Dr. W. vom M... MVZ L. vom 30. März 2011 mit folgende Diagnosen ein: Lendenwirbelsäulensyndrom, Periarthritis humeroscapularis (Schultergelenksentzündung) rechts, Epicondylitis humeri radialis links, Hüftarthrose beidseits, Rhizarthrose beidseits, Arthrose der Fingergelenke beidseits, Arthrose im Großzehengrundgelenk links, Senk-Spreizfuß beidseits mit statischen Beschwerden, Fersensporn beidseits. Folgende Bewegungsmaße gab die Ärztin an: Finger-Boden-Abstand (FBA) 20 cm; Zeichen nach Ott: 30/32 cm; Beweglichkeit der HWS: Seitneigung: 30/0/20 Grad nach der Neutral-Null-Methode, Rotation: 70/0/70 Grad; Lendenwirbelsäule (LWS): Schober: 10/13,5 cm, Seitneigung: 30/0/30 Grad, Rotation: 45/0/45 Grad; rechtes Hüftgelenk: Extension/Flexion 0/10/120 Grad, linkes Hüftgelenk: Extension/Flexion 0/10/110 Grad; Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke altersentsprechend unauffällig beweglich. In Anlage übersandte die Ärztin den Reha-Entlassungsbericht B. E. vom 14. Februar 2011 (stationärer Aufenthalt vom 11. November bis 8. Dezember 2010) mit folgenden Diagnosen: Hüftarthrose beidseits, Wirbelsäulensyndrom, chronische Sinusitis, Verwachsungsbauch, Polyarthrose. Die Klägerin habe über beidseitige Knie- und Hüftschmerzen sowie Rückenschmerzen, Blasenbrennen, Inkontinenz, Unterleibsverwachsungsbeschwerden, rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, rezidivierende Sinusitiden und Kopfschmerzen berichtet. Ihre Stimmungslage sei bei der Untersuchung unauffällig gewesen. Internistisch seien eine Druckschmerzhaftigkeit über dem rechten Oberbauch und eine Narbe nach der Gallenblasenentfernung aufgefallen. Folgender orthopädischer Befund wurde erhoben: HWS: Rotation beidseits endgradig schmerzhaft; Brustwirbelsäule (BWS): Rotation beidseits endgradig schmerzhaft; LWS: FBA 0 cm; linkes Schultergelenk unauffällig; rechtes Schultergelenk nach BWS-Mobilisation frei; Hand- und Ellenbogengelenke beidseits unauffällig und frei beweglich; Hüftgelenke: Extension/Flexion: links/rechts 0/0/100 bzw. 0/0/110 Grad; Knie- und Sprunggelenke beidseits unauffällig. Auch der neurologische Status sei unauffällig gewesen.

In Auswertung der Befunde schlug der ärztliche Gutachter des Beklagten P. am 2. August 2011 weiter...

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