Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei verschlossenem Arbeitsmarkt

 

Orientierungssatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG führt eine teilweise Erwerbsminderung des Versicherten bei praktischer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes für Tätigkeiten in einem täglichen zeitlichen Rahmen von drei bis unter sechs Stunden zu einer vollen Erwerbsminderung auf Zeit (BSG Beschluss vom 12. 12. 1976, GS 2/75). Dem Versicherten ist der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen, wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch die Arbeitsagentur innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrags einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten kann.

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

Der am ... 1963 geborene Kläger begann 1980 nach dem Abschluss der 10. Schulklasse eine Ausbildung zum Dreher, bestand jedoch 1982 die Abschlussprüfung nicht. Er war dann bis 1993 als Lagerist tätig, wobei er zuvor im Juli 1987 die auf der Grundlage eines Qualifizierungsvertrages absolvierte Ausbildung zum Transport- und Lagerfacharbeiter erfolgreich beendete. Die sich anschließende Zeit der Arbeitslosigkeit war unterbrochen durch die Teilnahme des Klägers an fünf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (als Aushilfsangestellter, Aufsichtskraft in einer Galerie, Sachbearbeiter, Bürokraft und Kirchenführer). Von November 2003 bis Dezember 2009 war der Kläger selbstständig als Verleger tätig. Seitdem ruht nach den Angaben des Klägers das Gewerbe aus gesundheitlichen Gründen und er ist als Verleger im Nebengewerbe bis maximal eine Stunde wöchentlich noch tätig. Seit dem 1. Januar 2010 bezieht er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).

Bei dem Kläger sind unbefristet ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 und das Merkzeichen "G" seit 1. Februar 2013 anerkannt.

Der Kläger stellte bei der Beklagten am 15. Oktober 2014 seinen sechsten Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Er machte geltend, wegen einer seit Geburt bestehenden beidseitigen Fußbehinderung, eines Wirbelsäulenschadens, einer beidseitigen Kniegelenkarthrose, einer Darmkrebserkrankung 2007, eines Bluthochdrucks, einer Herzerkrankung und einer psychovegetativen Gesundheitsstörung nur noch bis zu eine Stunde Hausarbeit täglich verrichten zu können.

Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus den vorangegangenen Renten- und dem Rehabilitationsverfahren bei, u.a. die Gutachten des Facharztes für Orthopädie/Chirotherapie Dr. Q. vom 15./16. August 2005 und der Fachärztin für Orthopädie und Sportmedizin Dr. H. vom 23. Februar 2009, den Entlassungsbericht der ...Klinik vom 14. September 2010 über die Anschlussheilbehandlung des Klägers vom 3. bis zum 24. August 2010 sowie das Gutachten von Dr. S. vom 6. November 2011, erstattet auf Veranlassung des Sozialgerichts Magdeburg in dem - rechtskräftig mit klageabweisendem Urteil vom 8. Februar 2012 beendeten - Klageverfahren S 6 R 1081/09. In den o.g. Gutachten wurde der Kläger im Ergebnis übereinstimmend für in der Lage erachtet, zumindest noch leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich unter Berücksichtigung zusätzlicher qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten zu können. In dem Entlassungsbericht wurden wesentliche Einschränkungen des Leistungsbildes durch die Rektumkarzinomerkrankung bzw. die Therapiefolgen verneint.

Die Beklagte holte einen Befundbericht von der Fachärztin für Innere Medizin (Hausärztin) Dr. W. vom 11. September 2014 ein. Ihr lägen Unterlagen bis 2013 vor. Seitdem habe keine neue Untersuchung - bis auf die Koloskopie - stattgefunden. In dem beigefügten Endoskopiebefund vom 13. Juni 2014 wurde kein Tumorrezidiv bei ausgeprägten inneren Hämorriden als sichere Ursache der rektalen Blutabgänge festzustellen. Dem zudem von Professor Dr. C. des AMEOS Poliklinikums H. eingeholten Befundbericht ohne Datum, eingegangen am 6. August 2015 waren Röntgen- und MRT-Befunde der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Hüftgelenke vom 2. Juli 2015 bzw. 22. Juli 2015 beigefügt. Danach habe sich ein Bandscheibenvorfall im Segment LWK 4/5 rechts ohne wesentliche Befundänderung im Vergleich zur Voraufnahme vom 25. Juni 2015 gezeigt. Im Bereich der Hüftgelenke sehe man achsengerecht gestellte Knochen mit unauffälliger Struktur. Ausweislich des mit übersandten MRT-Befundes der LWS vom 24. Juni 2015 sei ein gering ausgeprägter, umschriebener mediorechtslateraler Bandscheibenvorfall in L 4/5 mit leichter Einengung des Neuroforamens und Bedrängung der Nervenwurzel L4 rechtsseitig zur Darstellung.

Die Beklagte ließ Dr. H. das Gutachten vom 5. Oktober 2015 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 2...

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