Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Streit über Besetzung der Arztstelle eines angestellten Arztes in einem zugelassenen Medizinischen Versorgungszentrum. Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung. Mindestvoraussetzungen für ausnahmsweise Zulassung. lokaler Sonderbedarf. qualifikationsbezogener Sonderbedarf. hier: verneint für Leistungen der Zusatzbezeichnung "Schlafmedizin"
Leitsatz (amtlich)
1. Nach einer Zulassung eines Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung wegen eines lokalen Sonderbedarfs darf dieser alle Leistungen der Facharztgruppe abrechnen.
2. Eine generelle, flächendeckende Unterversorgung für eine sehr spezielle Leistung ist mangels örtlichem Bezug kein Fall eines lokalen Sonderbedarfs.
3. Die Anerkennung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs für die Leistungen der Zusatzbezeichnung "Schlafmedizin" kommt nicht in Betracht. Diese stellt keine besondere Qualifikation dar, wie sie vergleichbar durch den Inhalt eines Schwerpunktes, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte Sachsen-Anhalt beschrieben ist.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. April 2018 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen zu 1.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 60.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin - eine gGmbH, die ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Halle/Saale betreibt - begehrt die Genehmigung, den zu 8. beigeladenen Arzt anzustellen. Streitig sind dabei ein Versorgungsdefizit im Bereich „Schlafmedizin“ und gegebenenfalls dessen Rechtsfolgen.
In Sachsen-Anhalt existieren vier Raumordnungsregionen:
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Raumordnungsregion |
zugehörige Landkreise / kreisfreie Städte |
Altmark |
Altmarkkreis Salzwedel Stendal |
Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg |
Stadt Dessau-Roßlau Anhalt-Bitterfeld Wittenberg |
Halle/Saale |
Mansfeld-Südharz Stadt Halle/Saale Burgenlandkreis Saalekreis |
Magdeburg |
Harz Salzlandkreis Landeshauptstadt Magdeburg Börde Jerichower Land |
In der Raumordnungsregion Halle/Saale hatten im Jahre 2014 21 Ärzte eine Genehmigung zur Erbringung schlafstördiagnostischer Leistungen nach der Gebührenordnungsposition (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) 30900 (Kardiorespiratorische Polygraphie). Dabei praktizierten 11 auf dem Gebiet der Stadt Halle/Saale, 4 in dem Gebiet Mansfeld-Südharz sowie 6 im Burgenlandkreis. In der angrenzenden Raumordnungsregion Anhalt-Bitterfeld/Wittenberg waren dies insgesamt 14 Ärzte. Die kardiorespiratorische Polygraphie wird in der Häuslichkeit des Patienten durchgeführt.
Zur Erbringung einer Polysomnographie (GOP 30901) waren im Jahr 2014 in der Raumordnungsregion Halle/Saale insgesamt fünf Ärzte zugelassen: in der Stadt Halle/Saale und dem Burgenlandkreis je zwei und in Mansfeld-Südharz einer. In der Raumordnungsregion Anhalt-Bitterfeld/Wittenberg verfügte kein Arzt über eine solche Genehmigung. Diese Leistung wird regelmäßig in einem Schlaflabor erbracht.
Der Beigeladene zu 8. ist im Krankenhaus M. gGmbH in H. als Oberarzt angestellt und leitet dort das Schlaflabor. Er ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Lungen- und Bronchialheilkunde und der Zusatzbezeichnung „Schlafmedizin“. Seit 1998 ist er auch zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. In der Honorarverteilung durch die Beigeladene zu 1. ist der Beigeladene zu 8. der Arztgruppe der ermächtigten Ärzte mit dem Versorgungsauftrag fachärztliche Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie zugeordnet. Vorhergehende Anträge, ihn in dem Bereich Pneumologie ausnahmsweise im Rahmen eines Sonderbedarfs zur Erbringung schlafmedizinischer Leistungen zur niedergelassenen vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, hatten die Zulassungsgremien bereits in den Jahren 2009 und 2010 wegen Zulassungsbeschränkungen und mit der Begründung abgelehnt, der Bedarf könne auch durch die Ermächtigung gedeckt werden.
Am 24. September 2014 beantragte die Klägerin bei dem Zulassungsausschuss die Genehmigung, den Beigeladenen zu 8. mit Wirkung vom 1. Januar 2015 in einem Umfang von mehr als 30 Stunden in der Woche anstellen zu dürfen. Es bestehe bereits ein gut funktionierendes Schlaflabor in der Klinik, dessen Kapazität erweitert werden könne. So solle der lokale und qualifikationsbezogene Sonderbedarf gedeckt werden, der aufgrund einer unzureichenden Versorgungslage bezüglich der Erbringung von Leistungen im Schlaflabor im Bereich des südlichen Sachsen-Anhalts in der kreisfreien Stadt Halle/Saale und den Landkreisen Saalekreis, Mansfeld-Südharz, Salzlandkreis, Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg, Dessau-Roßlau und Burgenlandkreis bestehe. Derzeit warteten die Patienten 14 Monate. Dadurch könne die Wartezeit für die etwa 500 Behandlungsfälle pro Quartal reduziert werden. Neben dem Anstellungsvertrag über 31 Stunden wöchent...