Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Dreipersonenhaushalt in Zerbst im Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept nach Korrekturen. Anforderungen an die Datenerhebung und -auswertung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die ab 1. April 2012 geltende KdUH-Richtlinie des Landkreises Anhalt-Bitterfeld auf der Grundlage der Mietwerterhebung 2012 in der Fassung des Korrekturberichts von Oktober 2019 und der Neuberechnung im Gewichtungsverfahren vom 3. Dezember 2021 beruht auf einem schlüssigen Konzept.

2. Die vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld gebildeten drei Vergleichsräume sind nicht zu beanstanden. Die früheren Mittelzentren des Landkreises und jetzigen sog zentralen Orte, die Städte Bitterfeld-Wolfen, Köthen und Zerbst/Anhalt, sind die Versorgungskerne in ihrem Einzugsgebiet für die Daseinsvorsorge. Sie stellen mit ihren Einzugsgebieten jeweils homogene Wohn- und Lebensräume dar.

3. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein KdUH-Konzept sicherzustellen, ist der (lokale) Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich sein.

4. Ein KdUH-Konzept ist nicht repräsentativ, wenn institutionelle Vermieter nicht entsprechend ihrem Marktanteil, sondern deutlich überproportional im Verhältnis zu den sog Kleinvermietern in der Mietwerterhebung vertreten sind, und bei einer gesonderten Auswertung der Mieten nach Vermietertyp erhebliche Preisunterschiede bei den Nettokaltmieten festzustellen sind. Es ist methodisch unplausibel, eine Stichprobe bei privaten Kleinvermietern mit einer (annähernden) Vollerhebung bei Großvermietern zu vermischen. Dieser Mangel kann durch eine gewichtete Neuberechnung - differenziert nach Nettokaltmieten und Betriebskosten - korrigiert werden, in der private Kleinvermieter einerseits und institutionelle Großvermieter andererseits nach ihrem Anteil auf dem Mietwohnungsmarkt berücksichtigt werden.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen 17 vom Hundert ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten sind bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) die zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013.

Die 1976 geborene Klägerin und Berufungsklägerin zu 1 (im Weiteren: Klägerin zu 1) und ihre im April 2008 geborene Tochter, die Klägerin und Berufungsklägerin zu 2 (im Weiteren: Klägerin zu 2), bezogen gemeinsam mit der weiteren im September 1998 geborenen Tochter, der Klägerin zu 3 (die im Berufungsverfahren nicht mehr Beteiligte ist), vom Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter) laufende Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerinnen bewohnten im streitigen Zeitraum zu dritt eine 80 m² große Wohnung in der K-Straße in Zerbst, für die eine Bruttokaltmiete (BKM) von 430,61 € (Kaltmiete 358,61 €, Betriebskostenvorauszahlung 72,00 €) und eine Vorauszahlung für die Heizungs- und Warmwasserkosten von 108,00 € (insgesamt 538,61 €) zu entrichten war.

Nach dem Auszug des Lebensgefährten der Klägerin zu 1 im Juni 2012 leitete der Beklagte mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ein Kostensenkungsverfahren wegen unangemessener Unterkunftskosten ein und forderte die Klägerinnen auf, die Kosten zu senken (KSA): Nach der Handlungsempfehlung des Landkreises Anhalt-Bitterfeld zu den angemessenen Kosten der Unterkunft liege die Obergrenze für einen Dreipersonenhaushalt in Zerbst bei einer BKM von 392,00 €. Die tatsächlichen Kosten würden noch bis Januar 2013 übernommen. Im Bewilligungszeitraum von Februar bis Juli 2013 berücksichtigte der Beklagte wie angekündigt eine BKM von 392,00 €, übernahm aber die vollen Heizkosten. Mit weiterer KSA vom 11. Dezember 2012 wies der Beklagte auf die neue Richtlinie des Landkreises Anhalt-Bitterfeld zu den Angemessenheitswerten der KdUH hin: Die maximale BKM für einen Dreipersonenhaushalt in der Gemeinde Zerbst betrage 377,30 €. Über die bereits ab Februar 2013 eintretende Kürzung der BKM auf 392,00 € hinaus werde ab Juli 2013 nur noch eine BKM von 377,30 € berücksichtigt. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag wies er auf die unangemessenen Heizkosten der Klägerinnen hin, die nur noch bis Juni 2013 übernommen würden. Ab Juli 2013 werde der Wert nach dem bundesdeutschen Heizspiegel (Gas, inkl. Warmwasser 18,30 €/m²/Jahr) von monatlich 106,75 € berücksichtigt.

Nach vorläufiger Leistungsgewährung für den Bewilligungszeitraum von Juli bis Dezember 2013 (Bescheide vom 12. Juni und 15. August 2013), bei der der Beklagte nur noch eine abgesenkte BKM von 377,30 € und Heizkosten von 106,75 € berücksichtigte, setzte er mit Bescheid vom 13. März 2014 Leistungen für diesen Bewilligungszeitraum endgültig fest. Dabei berücksichtigte er unverändert eine BKM von...

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