Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Halle vom 27.8.2019 - L 4 AS 343/18, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 Sätze 1, 3-4, 10, § 22b Abs. 1 S. 4, § 7 Abs. 1, 3 Nr. 4, Abs. 5 S. 1, Abs. 6 Nr. 1, §§ 7a, 40 Abs. 1 S. 1; SGB III § 60 Abs. 1 Nr. 1; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; WoGG § 12 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 2, § 144 Abs. 3, § 153 Abs. 1, § 160 Abs. 3
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägerinnen auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten sind im Überprüfungsverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. August 2014. Streitig ist allein die Höhe der anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Hinblick auf abstrakte Angemessenheit.
Die am ... 1964 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte zu 1. (im Folgenden: Klägerin zu 1.) und ihre am ... 1997 geborene Tochter, die Klägerin und Berufungsbeklagte zu 2. (im Folgenden: Klägerin zu 2.), lebten im streitigen Zeitraum gemeinsam in einer Mietwohnung in der Lutherstadt Wittenberg mit einer Wohnfläche von 78,41 m² bei einer Gesamtfläche des Gebäudes von 763,17 m². Bis zum 11. Dezember 2012 hatte dort auch die Tochter der Klägerin zu 1., M. R., gelebt. Für diese Wohnung hatten die Klägerinnen ab dem 1. September 2013 eine monatliche Gesamtmiete von 554,76 EUR zu zahlen, wovon 318,01 EUR auf die Grundmiete, 121,86 EUR auf die Vorauszahlung für Betriebskosten und 114,89 EUR auf die Vorauszahlung für Heizkosten (Fernwärme) und zentrale Warmwasserbereitung entfielen.
Die Klägerinnen bezogen vom Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) Leistungen nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum erzielte die Klägerin zu 1. einen Aushilfslohn in Höhe von monatlich 62 EUR und die Klägerin zu 2. Kindergeld in Höhe von monatlich 184 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 15. März 2013 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. März bis 30. April 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1.020,13 EUR. Seiner Leistungsberechnung legte er die seiner Auffassung nach angemessene Bruttokaltmiete (BKM) für einen Dreipersonenhaushalt zu Grunde. Zugleich wies er die Klägerinnen im Bescheid darauf hin, dass die derzeitigen Unterkunftskosten unangemessen seien und forderte sie auf, diese bis zum 30. September 2013 auf ein angemessenes Maß zu senken. Danach werde er nur noch die für einen Zweipersonenhaushalt angemessene BKM von 316,20 EUR berücksichtigen. Als angemessene Heizkosten sei der Wert entsprechend des aktuellen bundesdeutschen Heizspiegels für einen Zweipersonenhaushalt mit einer angemessenen Wohnfläche von 60 m² anzusetzen.
Am 1. April 2014 beantragten die Klägerinnen die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. Mai 2014. Mit Bescheid vom 22. April 2014 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 967,72 EUR. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte der Beklagte eine BKM von 322,80 EUR und angemessene Heizkosten nach dem bundesdeutschen Heizspiegel 2013 von 95 EUR.
Am 1. August 2014 nahm die Klägerin zu 2. eine Ausbildung zur Tierwirtin mit dem Schwerpunkt Rinderhaltung bei der Agrargenossenschaft M. eG auf. Die Zahlung der ersten Ausbildungsvergütung in Höhe von 383,16 EUR erfolgte am 3. September 2014.
Daraufhin hob der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 7. August 2014 die Leistungsbewilligung für die Klägerin zu 2. vom 1. September bis zum 31. Oktober 2014 vollständig auf und bewilligte der Klägerin zu 1. für diese Zeit Leistungen in Höhe von monatlich 599,90 EUR. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 13. August 2014 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für September 2014 in Höhe von 659,33 EUR und für Oktober 2014 in Höhe von 662,97 EUR.
Unter dem 26. August 2014 erhoben die anwaltlich vertretenen Klägerinnen Widerspruch gegen die Bescheide des Beklagten vom 22. April 2014 und 7. August 2014. Ihnen stehe die Übernahme der tatsächlichen BKM von 439,87 EUR zu, da diese nicht unangemessen sei. Die vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitskriterien seien nicht aufgrund eines schlüssigen Konzepts im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ermittelt. Sofern der Widerspruch als verfristet abzulehnen sei, werde ein Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2014 verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. April 2014 als unzulässig.
Mit Widerspruchsbescheid vom selben Tag wies er den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 7. August 2014 als unbegründet zurück. Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (Aktenzeichen S 32 AS 2399/14) ist Gegenstand des Berufungsve...