Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisbarkeit des Versicherten bei beantragter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Zeitliches Leistungsvermögen. Medizinische Beweiswürdigung. Montage von Abwasserschächten. Anlerntätigkeit des unteren Bereichs. Kolonnenführer. Weisungsbefugnis

 

Orientierungssatz

1. Der vor dem 2. 1. 1961 geborene Versicherte hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB 6, wenn er einen zumutbaren Verweisungsberuf ausüben kann.

2. Ein im Bereich der Stadtentwässerung zuletzt als Vorarbeiter ohne wesentliche Weisungsbefugnis eingesetzter Versicherter hat bei der Montage von Abwasser- und Hausanschlussleitungen körperlich schwere Arbeiten zu verrichten.

3. Diese Tätigkeit begründet keinen Berufsschutz, weil er der Ebene der Angelernten im unteren Bereich i. S. des Mehrstufenschemas des BSG zuzuordnen ist.

4. Kann er noch leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten, so ist ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB VI §§ 43, 240

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) hat.

Der 1959 geborene Kläger absolvierte nach dem Abschluss der zehnten Klasse vom 1. September 1976 bis zum 15. Juli 1978 eine Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker mit der Spezialisierung "Technologische Ausrüstung der Stärkeindustrie" im VEB Stärkefabrik K. Anschließend leistete er bis November 1981 seinen dreijährigen Wehrdienst bei der NVA ab. Danach arbeitete er als Kraftfahrer und Lagerarbeiter (Dezember 1981 bis Dezember 1982), Förderarbeiter/Stationswärter (Januar 1983 bis September 1992), Munitionsentschärfer (November 1992 bis Januar 1993) sowie als Bauhelfer (Februar 1993 bis Dezember 1997 und Mai bis August 1998). Während seiner Tätigkeit als Förderarbeiter/Stationswärter erwarb er im Januar 1985 berufsbegleitend den Abschluss "Facharbeiter für geologische Bohrungen".

Zuletzt war er vom 7. September 1998 bis zum 9. Dezember 2010 im Bereich der H.er Stadtentwässerung beschäftigt. Dort wurde er ausweislich des Arbeitsvertrages vom 7. September 1998 als "Vorarbeiter" eingestellt. Als Arbeitsentgelt wurden ein Grundlohn in Höhe von 14,50 DM sowie eine Leistungszulage in Höhe von 2,- DM vereinbart. In der diesbezüglichen Arbeitgeberauskunft der O. Rohrleitungs- und Stahlbau GmbH & Co. KG vom 8. März 2012 (im Weiteren: Firma O.) ist ausgeführt, der Kläger habe Abwasserschächte montiert sowie Abwasser- und Hausanschlussleitungen verlegt. Diese Tätigkeit werde im Allgemeinen von Arbeitnehmern verrichtet, die eine längere betriebliche Anlernung erfahren hätten. Die Anlernung des Klägers habe zwölf Monate gedauert; die gleiche Anlernzeit wäre bei einem Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse erforderlich gewesen. Der Kläger habe keine Vorkenntnisse bei der Anlernung verwerten können. Die Tätigkeit habe als besondere Qualitätsmerkmale die Einweisung von Mitarbeitern sowie die Organisation von Arbeitsabläufen im Bereich Abwasser und als qualitätsfremde Merkmale teilweise Schmutzarbeit und körperliche Belastung beinhaltet. Das stündliche Arbeitsentgelt habe zuletzt 10,48 EUR betragen. Die Entlohnung sei nach den ortsüblichen Bedingungen erfolgt. Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt am 18. August 2015 hat der Kläger erklärt, er habe eine Kolonne geleitet. Bei dieser Kolonne habe es sich um eine Gruppe von vier bis acht Mitarbeitern gehandelt. Sie hätten hauptsächlich für die H.er Stadtentwässerung gearbeitet. Bei der H.er Stadtentwässerung sei er als Meister geführt worden. Die H.er Stadtentwässerung habe Wert darauf gelegt, dass die jeweiligen Betriebe, die für sie tätig gewesen seien, Schachtmeister beschäftigt hätten. Er habe von der H.er Stadtentwässerung die Aufgabenstellung erhalten. Diese habe er an seine Kolonne weitergegeben. Seine Tätigkeit habe nicht nur aus Einweisungs- und Überwachungsaufgaben bestanden; er habe auch körperlich mitgearbeitet.

Der Kläger bezog vom 11. Oktober bis zum 12. November 2010 Krankengeld und vom 10. Dezember 2010 bis zum 8. März 2012 Arbeitslosengeld. Seitdem erhält er keine Sozialleistungen mehr. Seine Ehefrau ist berufstätig. Er besitzt einen Führerschein; ein PKW ist vorhanden.

Am 22. Februar 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er gab an, sich seit dem 30. August 2010 für erwerbsgemindert zu halten und keine Arbeiten mehr verrichten zu können. Er leide unter einem Hüftleiden links sowie unter einem Lendenwirbelschaden. Er könne maximal 100 bis 200 m laufen, da die Schmerzen unerträglich seien. Die Beklagte holte einen Befundbe...

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