Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Anspruchs des Versicherten auf Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger nach § 10 Abs. 1 SGB 6 setzt u. a. voraus, dass der Gesundheitszustand des Versicherten stabil ist und dieser dauerhaft auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar ist.

2. Dabei kommt es nicht auf den bisherigen Beruf des Versicherten, sondern auf sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten an (BSG Urteil vom 11. 5. 2011, B 5 R 54/10 R). Soweit ein medizinischer Behandlungsbedarf oder Rehabilitationsbedarf besteht, ist dieser nicht durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abzuwenden.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Die am ... 1974 geborene Klägerin absolvierte nach ihrer Schulausbildung von Oktober 1990 bis Februar 1993 erfolgreich eine Berufsausbildung zur Verkäuferin im Einzelhandel und war als Sachbearbeiterin, Kauffrau, im Warenverkauf und zuletzt als Außendienstmitarbeiter (Kundenberaterin im Großhandel) versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde erst im Jahr 2013 gelöst. Die Klägerin bezog auf Grund ihrer seit dem 6. August 2012 fortlaufend bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bis zum 18. März 2013.

Bei der Klägerin ist seit dem 25. Oktober 2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt.

Zur Begründung ihres Antrags auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 31. Oktober 2012 gab die Klägerin an, psychisch erkrankt zu sein und sich die Arbeit als Außendienstmitarbeiterin nicht mehr zuzutrauen. Mit dem täglichen Autofahren und Kundenkontakt sei sie aktuell überfordert. Sie leide unter sozialen Ängsten, Konzentrationsmangel, Unsicherheit und Zukunftsängsten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2013 mit der Begründung ab, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, weil die Klägerin in der Lage sei, eine Beschäftigung als Einzelhandelskauffrau ohne Außendienst weiterhin auszuüben. Unter Umständen komme die Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit in Betracht.

Im Rahmen ihrer am 19. September 2013 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg S 12 R 722/13 hat die Klägerin sich insbesondere auf die für die Agentur für Arbeit B. erstellte gutachterliche Äußerung der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B. vom 2. April 2013 gestützt, in der sie - die Klägerin - im Ergebnis als vollschichtig einsatzfähig für körperlich gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angesehen wurde. Aus sozialmedizinischer Sicht sei die Klägerin nicht mehr als Verkäuferin im Außendienst einsetzbar. Vorrangig sei die Einleitung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und des Allgemeinbefindens der Klägerin zu empfehlen. Auch in dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 15. Februar 2013 sei eine weitere Arbeitsunfähigkeit bestätigt worden und sowohl eine medizinische Rehabilitation als auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben empfohlen worden.

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte eingeholt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 48 bis 59a und 61 bis 63 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht das Gutachten von dem Facharzt für psychotherapeutische Medizin/Psychoanalyse Dr. F. vom 14. November 2014 eingeholt, das auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 15. September 2014 erstattet worden ist. Der gerichtliche Sachverständige hat im Ergebnis der Begutachtung festgestellt, es lasse sich keine positive Aussage darüber treffen, dass ein Berufswechsel allein einen positiven Einfluss auf den Gesundheitszustand der Klägerin haben würde. Erst nach einer erfolgreichen Psychotherapie könne die Klägerin so stabil sein, auch Konflikte im Berufsleben bewältigen zu können, egal in welchem Beruf. Derzeit könne die Klägerin vermutlich drei bis sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen und Stehen überwiegend in geschlossenen Räumen verrichten. Allerdings wäre eine allmähliche Heranführung entsprechend dem "Hamburger Modell" empfehlenswert. Es bestehe zum Zeitpunkt der Begutachtung eine leichtere Ermüdbarkeit, welche Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Zuverlässigkeit, Ausdauer und das Verantwortungsbewusstsein einschränken könne. Eine psychotherapeutische Exploration könne das nicht exakt feststellen, wenn es nicht grobe Ausfälle seien, die hier nicht vorlägen. Der gerichtliche Sachverständige hat in seiner e...

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