Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII durch Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer für den Schulbesuch. Förderschule. Förderungsbedarf, pädagogischer. Integrationshelfer. Jugendhilfe
Normenkette
EinglVO 12 Nr. 1; SGB VIII 10 I; SGB VIII 35a; SGB XII 54 I
Verfahrensgang
VG Stade (Beschluss vom 05.10.2005; Aktenzeichen 4 B 1695/05) |
Gründe
Der Antragsteller wurde am 17. April 1997 in der Ukraine geboren. Bis zum Juli 2001 war er in ukrainischen Kinderheimen untergebracht. Im Juli 2001 wurde er von dem Ehepaar J. adoptiert und lebt seither bei diesem im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Unter dem 27. März 2002 stellte die Amtsärztin des Antragsgegners fest, der Antragsteller sei von einer wesentlichen nicht nur vorübergehenden Behinderung bedroht. Es bestehe eine Sprachbehinderung, die Behinderung (im Übrigen) sei nicht deutlich zu klassifizieren. Der Antragsteller erhielt von dem Antragsgegner Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 Abs. 1 BSHG zunächst in der Form der ambulanten heilpädagogischen Frühförderung und sodann durch Übernahme der Kosten des heilpädagogischen Kindergartens K.. Darüber hinaus wurde er u.a. durch eine Ergotherapie und durch eine Sprachtherapie gefördert. Nachdem der Antragsteller im Jahr 2003 für ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt worden war, wurde er durch Entscheidung der vormaligen Bezirksregierung L. vom 24. Juni 2004 nach Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Förderschwerpunkt im Bereich Sprache sowie körperliche und motorische Entwicklung zum Schuljahr 2004/2005 der G.-H.-Schule in M. einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen, zugewiesen.
Unter dem 24. Juni 2005 stellten die Adoptiveltern des Antragstellers einen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII in Form der Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer bzw. Schulbegleiter. Sie beriefen sich u.a. auf eine ärztliche Stellungnahme des Diakoniekrankenhauses N., Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, vom 6. Oktober 2004, in der dem Antragsteller eine tiefgreifende Entwicklungsstörung der Sprache (Dyslalie und Dysgrammatismus), Motorik und Koordination, sozialer und schulischer Fertigkeiten mit Konzentrationsschwierigkeiten und Unruhe (F 84 nach ICD 10) vor dem Hintergrund eines frühen Hospitalismus und einer spät festgestellten Visusminderung bescheinigt wurde.
Mit Bescheid vom 9. August 2005 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Hilfegewährung sowohl auf der Grundlage des § 35 a SGB VIII – Jugendhilfe – als auch nach §§ 53 und 54 SGB XII – Sozialhilfe – ab. Es bestehe bzw. drohe eine Behinderung weder in körperlicher bzw. geistiger noch in seelischer Hinsicht. Auffälligkeiten im sprachlichen Bereich rechtfertigten den Einsatz eines Integrationshelfers nicht. Vielmehr sei vorrangig zu prüfen, ob die Beschulung in der Sprachheilklasse der G.-H.-Schule dem Hilfebedarf des Antragstellers entsprechen würde. Im Übrigen sei eine Maßnahme der Eingliederungshilfe zu einer angemessenen Schulbildung ausgeschlossen, wenn sich die Behinderung auf körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen beschränke, die gleichzeitig auch den sonderpädagogischen Förderbedarf begründeten, der durch die schulische sonderpädagogische Förderung gedeckt werden könne. Dies sei bei dem Antragsteller der Fall.
Gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners hat der Antragsteller Klage erhoben. Zudem hat er die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Kostenübernahme für einen Integrationshelfer im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit seinem angefochtenen Beschluss abgelehnt, weil es den erforderlichen Anordnungsanspruch als nicht glaubhaft gemacht erachtet hat. Dabei ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Antragsteller seinen im Wege des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemachten Anspruch wegen einer seelischen Behinderung auf die Vorschrift des § 35 a SGB VIII und nicht wegen einer körperlichen bzw. geistigen Behinderung auf die direkte Anwendung der Regelungen der § 53 ff SGB XII stütze. Nach der o.g. Stellungnahme des Diakoniekrankenhauses N. vom 6. Oktober 2004 und einer zur Gerichtsakte gereichten Bescheinigung der Kinderärztin O. vom 18. August 2004 liege zwar bei dem Antragsteller möglicherweise eine seelische Störung vor. Dies genüge jedoch noch nicht für die Annahme einer seelischen Behinderung, da nicht glaubhaft gemacht sei, dass durch die Beeinträchtigungen des Antragstellers dessen Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft zumindest bedroht sei. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Verhältnis der Jugendhilfe zu den Bestimmungen des Landesschulrechts, dass die Jugendhilfe im wesentlichen einen Bedarf im pflegerisch – unterstützenden Bereich abdecken solle, während der originär pädagogische Bereich Sache der Schule bleibe. Es könne nicht Aufgabe der Jugend- bzw. Eingliederungshilfe sein, zusätzliche pädagogis...