Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe: Kostenerstattung

 

Verfahrensgang

VG Stade (Urteil vom 27.09.2004)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade – 4. Kammer – vom 27. September 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen nach dem Bundessozialhilfegesetz für den Hilfeempfänger A. und die örtliche Zuständigkeit für die Gewährung weiterer Sozialhilfe.

Der am 20. Dezember 1976 geborene Hilfeempfänger, der seit seiner Geburt aufgrund eines cerebralen Anfallsleidens geistig und körperlich behindert ist, lebte zunächst in Hamburg. Am 1. Oktober 1984 wurde er in die Familienpflegestelle von Frau B. in C. aufgenommen. In der Folgezeit besuchte er die Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe für Behinderte e. V. in Bremervörde. Danach durchlief er den Eingangs- und Arbeitstrainingsbereich des Vördewerks der Lebenshilfe D. gGmbH. Seit dem 14. August 2002 ist er in dem Arbeitsbereich der dortigen Werkstatt für Behinderte beschäftigt.

Die Kosten der Betreuung und Pflege durch Frau B. übernahm zunächst die Klägerin im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 39 ff. BSHG. Die Klägerin trug darüber hinaus die Kosten der Betreuung des Hilfeempfängers in der Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe für Behinderte e. V..

Mit Schreiben vom 16. August 1999 bat die Klägerin den Beklagten, die dem Hilfeempfänger gewährte Hilfe für die Betreuung durch Frau B. in Höhe von monatlich 1.599 DM ab sofort zu übernehmen. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass sie für die Gewährung der Sozialhilfe nach § 104 BSHG zunächst örtlich zuständig gewesen sei, weil der Hilfeempfänger vor der Aufnahme in die Pflegefamilie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg gehabt habe. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs des Hilfeempfängers habe ihre Zuständigkeit nach § 104 BSHG aber geendet. Da es sich bei der Betreuung Volljähriger in einer Fremdfamilie um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe handele, richte sich die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers seitdem gemäß § 97 Abs. 1 BSHG nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers.

Der Beklagte teilte der Klägerin unter dem 30. August 1999 schriftlich mit, dass er die Weitergewährung der Hilfe nicht übernehmen könne, weil seine Zuständigkeit nicht gegeben sei. Zur Begründung verwies er auf einen Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Mai 1995 (12 M 7208/94).

Mit Schreiben vom 27. Oktober 1999 und 15. Dezember 1999 bat die Klägerin den Beklagten, seine Entscheidung zu überdenken. Zugleich wies die Klägerin darauf hin, dass die von dem Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts lediglich in einem Eilverfahren ergangen sei und zudem mit der herrschenden Meinung in der Literatur zu § 104 BSHG nicht im Einklang stehe. Außerdem machte die Klägerin Kostenerstattung nach §§ 2 Abs. 3, 102 SGB X geltend.

Daraufhin verneinte der Beklagte seine örtliche Zuständigkeit mit Schreiben vom 26. Januar 2000 erneut. Außerdem widersprach er mit Schreiben vom 12. April 2000 der begehrten Kostenerstattung. Auf das weitere Schreiben der Klägerin vom 9. August 2000 reagierte der Beklagte nicht mehr.

Am 29. November 2001 beantragte Frau B., die mit Eintritt der Volljährigkeit des Hilfeempfängers zu dessen Betreuerin bestellt worden war, bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für die geplante Aufnahme des Hilfeempfängers in den Arbeitsbereich der Werkstatt für Behinderte. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 6. Mai 2002 mit der Begründung ab, dass die Klägerin trotz der Volljährigkeit des Hilfeempfängers für die Kostenübernahme örtlich zuständig sei. Dem dagegen erhobenen Widerspruch half der Beklagte auf Veranlassung des Niedersächsischen Landesamts für Zentrale Soziale Aufgaben jedoch ab.

Die Klägerin hat am 19. Dezember 2002 Klage erhoben und zu deren Begründung vortragen, dass der Beklagte ihr die ab dem 27. Oktober 1998 in der Pflegestelle B. entstandenen Kosten zu erstatten habe, weil er sich zu Unrecht geweigert habe, den Hilfefall in seine Zuständigkeit zu übernehmen. Seit der Volljährigkeit des Hilfeempfängers sei der Beklagte nach § 97 Abs. 1 BSHG als Sozialhilfeträger örtlich zuständig, weil § 104 BSHG mit Erreichung dieser Altersgrenze keine Anwendung mehr finde.

Die Klägerin hat die Klage hinsichtlich der Kostenerstattung für den 27. und 28. Oktober 1998 sinngemäß zurückgenommen und beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, ihr die dem Hilfeempfänger A. für die Zeit vom 29. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 2002 gewährte Sozialhilfe (Pflegegeld) in Höhe von 39.816,81 EUR sowie für die Zeit dan...

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