Verfahrensgang
VG Osnabrück (Urteil vom 30.06.2004; Aktenzeichen 6 A 126/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück – Einzelrichterin der 6. Kammer – vom 30. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (nur noch) um die Verpflichtung des Beklagten, die angemessenen Kosten für Fahrten und Begleitung der Kinder A. und C. zu psychotherapeutischen Behandlungen zu erstatten.
Herr B. ist der Vater der Kinder A., geboren am 22. April 1993, und der Zwillinge C. und E., geboren am 18. Februar 1995, und ihr gesetzlicher Vertreter. Er hat von dem beklagten Landkreis zunächst im Rahmen der Jugendhilfe die Übernahme von Kosten beansprucht, die für Fahrten und Begleitung seiner Kinder zur Schule und zu psychotherapeutischen Behandlungen entstanden sind. Soweit es um die Übernahme der Beförderungskosten für die Fahrten des Sohnes A. zur Schule ging, haben die Beteiligten den Rechtsstreit im Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte den Vater der Kläger in dem Verfahren 3 A 131/03 des Verwaltungsgerichts, in dem um Schülerbeförderungsleistungen für A. gestritten wurde, klaglos gestellt hatte.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Februar 2002, eingegangen beim Beklagten am 28. Februar 2002, beantragte Herr B., im Rahmen der Jugendhilfe die Kosten für die Fahrten und die Begleitung seiner Kinder zur Schule und zu Therapien zu übernehmen. Er gab an, dass A. eine Schule in F. (Anfahrtsweg 13 km) und C. und E. einen integrativen Kindergarten in F. (Anfahrtsweg 10 km) besuchten. Außerdem müssten A. und C. zu den verordneten psychotherapeutischen Behandlungen gefahren werden (Anfahrtsweg 14 km). Zur Notwendigkeit der Behandlungen wurde eine Bescheinigung des C. behandelnden Arztes für Kinderheilkunde und psychotherapeutische Medizin G. vom 30. Januar 2002 vorgelegt. Danach liegt bei C. eine globale Entwicklungsverzögerung bei einer emotionalen Problematik vor. Es wurde bestätigt, dass C. ähnlich wie ein Kindergartenkind im öffentlichen Straßenverkehr Begleitung benötige von einer Person, die die Übersicht über die Verkehrssituation habe. Bezüglich A. wurde eine Bescheinigung der behandelnden Psychotherapeutin H. vom 30. Januar 2002 vorgelegt, mit der bescheinigt wurde: A. zeige sich durch die vergangenen familiären Ereignisse schwer belastet. Er habe emotionale Störungen entwickelt, die u.a. in verschiedenen Entwicklungsdefiziten sichtbar würden. Da bei A. Desorientierung und Konzentrationsprobleme im Alltag zu bemerken seien, benötige er auch im aktuellen Alter Begleitung im Straßenverkehr. Insgesamt müsse man bei ihm von einer Bindungsstörung ausgehen.
Mit Bescheid vom 11. Juni 2002 lehnte der Beklagte die beantragte Übernahme der Fahrtkosten zur Schule und zu den Therapien der Kinder ab. Zur Begründung führte er aus: Nach § 39 Abs. 1 SGB VIII sei auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen, sofern eine Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35 a SGB VIII gewährt werde. Da für die Familie jedoch keine dieser Leistungen gewährt werde, komme eine Übernahme der Fahrtkosten nicht in Betracht.
Herr B. legte hiergegen mit Schriftsatz vom 16. Juli 2002 Widerspruch ein und führte aus: Er habe einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII. Die Hilfe zur Erziehung sei gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII „insbesondere” nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII zu gewähren. Das mache deutlich, dass die Aufzählung der in §§ 28 bis 35 SGB VIII genannten Maßnahmen nicht abschließend sei. Die Hilfe zur Erziehung umfasse gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auch ausdrücklich die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Da die Kinder sich gemäß den vorgelegten ärztlichen bzw. kinderpsychologischen Bescheinigungen bereits in psychotherapeutischer Behandlung befänden, konkretisiere sich der Anspruch hinsichtlich der Hilfe zur Erziehung durch Gewährung therapeutischer Leistungen auch auf die Übernahme der Fahrtkosten.
Mit Widerspruchbescheid vom 30. August 2002 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Zwar umfasse nach § 27 Abs. 3 SGB VIII die Hilfe zur Erziehung insbesondere auch die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei den entstandenen Fahrtkosten handele es sich jedoch weder um pädagogische noch um therapeutische Leistungen. Vielmehr solle durch die beantragte Übernahme der Fahrtkosten die Te...