Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehescheidung. Prozeßkostenhilfe

 

Verfahrensgang

AG Bad Neustadt a.d. Saale (Beschluss vom 31.08.1990; Aktenzeichen F 17/88)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengerichts – Bad Neustadt a.d. Saale vom 31. August 1990 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Das in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg:

1) Seit Einführung des § 120 Abs. 4 ZPO durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1986 kann die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen geändert werden, wenn sich die für die Prozeßkostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nach Bewilligung wesentlich geändert haben, so z.B., wenn ein zur Zeit der Bewilligung Arbeitsloser wieder eine gut bezahlte Stelle findet oder wenn der hilfsbedürftigen Partei nachträglich ein nicht unbedeutendes Vermögen zufließt. In solchen Fällen besteht für die Prozeßkostenhilfe als staatliche Sozialleistung auf dem Gebiet der Rechtspflege keine Rechtfertigung mehr; das Vertrauen des ehemals Hilfsbedürftigen in den ungeschmälerten Bestand bewilligter Hilfe wird – sieht man von der Schutzfrist des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO ab – kraft gesetzlicher Wertung nicht geschützt. Aus dem mit der Neuregelung beabsichtigten Zweck – von der Staatskasse unberechtigte Zahlungen fern zu halten – folgt, daß nicht nur bestehende Ratenzahlungsverpflichtungen erhöht werden können, sondern daß auch erstmals Zahlungsanordnungen ergehen können (allg. Meinung: Thomas/Putzo, ZPO, 16. Aufl., § 124 Anm. 17; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 49. Aufl., § 120 Anm. 8; Mümmler, JurBüro 87/1, 17). Unter Umständen kann sogar die sofortige volle Zahlung aller bereits fälligen Kosten angeordnet (Zöller/Schneider, ZPO, 16. Aufl., § 120 Anm. 14), im praktischen Ergebnis also die Prozeßkostenhilfe nachträglich, aber mit Wirkung für die Zukunft, aufgehoben werden.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 4. Februar 1988 – WF 143/87 = JurBüro 88/905, vom 23. Mai 1989 – 7 WF 38/89 = JurBüro 89/1589 = Rpfleger 88/281 und vom 11. Juli 1990 – 7 WF 126/90) und anderer Obergerichte (KG JurBüro 90/757; LAG Nürnberg JurBüro 90/512; OLG Celle Rpfleger 90/263 = JurBüro 90/1192; OLG München JurBüro 90/904).

2) Nach diesen Grundsätzen erfolgte die Nachzahlungsanordnung zu Recht.

Der Beschwerdeführerin flössen in Erfüllung des Vergleichs vom 29. Mai 1990 81.000,– DM zu. Dieser Betrag überschreitet das geschützte Vermögen (§ 115 Abs. 2 2. Halbsatz i.V.m. § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG; § 1 Abs. 1 Nr. 1 b der Verordnung vom 11. Februar 1988 [BGBL I S. 150]: Derzeit 4.500,– DM zuzüglich 400,– DM für jede Person, die vom Hilfesuchenden überwiegend unterhalten wird) bei weitem; mit diesem Geld kann die Beschwerdeführerin die auf sie entfallenden anteiligen Gerichts- und Anwaltskosten bestreiten.

Sie kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Geld zum Erwerb einer Eigentumswohnung verwendet zu haben. Richtig ist, daß nach § 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG ein kleines, von der bedürftigen Partei bewohntes Grundstück zur Deckung von Prozeßkosten nicht eingesetzt werden muß. Diese Vorschrift ist jedoch nicht auf Vermögen anzuwenden, das für den Erwerb eines solchen Hausgrundstücks gedacht ist. Das ergibt sich bereits aus dem klar zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Dieser hat nämlich durch das 2. HaushaltsstrukturG einen Ausnahmetatbestand in § 88 BSHG gestrichen, der Fälle der vorliegenden Art nicht nur sinngemäß, sondern direkt erfaßte. Nach dieser gestrichenen Regelung (§ 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG) durfte Sozialhilfe, hier also Prozeßkostenhilfe, nicht vom Einsatz „eines Vermögens, das nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines kleinen Hausgrundstücks” bestimmt war, abhängig gemacht werden. Durch die Streichung dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß derartiges Vermögen künftig doch für Kosten eingesetzt werden muß. Damit fehlt es an einer Regelungslücke, die notwendig wäre, wollte man § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG entsprechend auf einen Fall wie den vorliegenden anwenden.

Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf ein zum Erwerb eines kleinen, von der Partei bewohnten Hausgrundstücks gedachten Vermögens würde im übrigen auch nicht vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift gedeckt. Sinn einer Privilegierung von Familienheimen i.S.v. § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG ist es, einer Familie oder einer Einzelperson die vorhandene Wohnstätte als wesentlichen Lebensmittelpunkt zu erhalten und ihren Einsatz zur Deckung des Lebensunterhalts oder gar von Prozeßkosten zu verhindern. Hat sich dagegen eine Partei von ihrem Haus getrennt, so entfällt dieser Schutzzweck. Konsequenterweise ist deshalb der Erlös aus der Veräußerung eines Familienheims für Prozeßkosten einzusetzen, auch wenn von dem Erlös eine Wohnung beschafft werden soll.

Diese, vom Amtsgericht in Anschluß an OLG Celle Rpfleger 90/263 = JurBüro 90/1192 vertretene Ansicht teilt auch der Se...

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