Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beschränkung des Wahlrechts i. S. d. § 5 SGB VIII zwischen der frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtung und einer Kindertagespflege i. S. d. § 24 SGB VIII stellt keine Amtspflichtverletzung dar, wenn zwar keine Betreuungsplätze mehr in der gewünschten Betreuungsform, aber in der alternativen Betreuungsform verfügbar sind.
2. Die vorzeitige Kündigung eines bereits vorhandenen und geeigneten Betreuungsplatzes stellt einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht i. S. d. § 254 BGB dar, wenn das Kind aufgrund dessen zunächst keine frühkindliche Förderung erhält. Ein Wechsel der Betreuungsform ist nicht generell unzumutbar. Eine Eingewöhnungszeit des Kindes ist in § 24 SGB VIII nicht vorgesehen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07.04.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07.04.2016 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.951,32 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Amtshaftung auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls infolge der verzögerten Bereitstellung eines Kindergartenplatzes in Anspruch.
Vor der Geburt ihrer Tochter D. am 2013 arbeitete die Klägerin bei der A GmbH in L. und erzielte ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.987,83 EUR. Sie beabsichtigte, ihre dortige Tätigkeit am 01.08.2014 wieder aufzunehmen, während ihrem Ehemann Elternzeit bis zum 09.09.2014 bewilligt worden war.
Die Klägerin und ihr Ehemann bewarben sich Ende des Jahres 2013 für ihre Tochter um einen Platz in der Kindertagesstätte in N.-H. ab August 2014. Mit Schreiben vom 13.03.2014 teilte ihnen der Flecken N.-H. mit, dass das zentrale Aufnahmeverfahren zum 01.08.2014 abgeschlossen sei und er ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine Zusage über eine Aufnahme gegeben werden könne. Zudem wies der Flecken N.-H. die Klägerin und ihren Ehemann darauf hin, dass die Kinderbetreuung grundsätzlich auch über Plätze in der Kindertagespflege, durch sogenannte Kindertagesmütter, erfolgen könne. Für nähere Informationen verwies der Flecken die Klägerin und ihren Ehemann an den Beklagten.
Daraufhin nahm die Klägerin am 01.04.2014 erstmals Kontakt zum Beklagten auf und erkundigte sich nach Tagespflegepersonen im Bereich N.-H. bzw. einem Platz in einer Kindertagesstätte.
Mit E-Mail vom 03.04.2014 benannte die beim Beklagten für Kinderbetreuung zuständige Mitarbeiterin Frau R. der Klägerin drei Tagespflegepersonen in H. und G.und empfahl ihr, auch im Familien- und Kinderservice des Landkreises G. bzw. in der dortigen Online-Vermittlungsbörse nach Tagespflegepersonen zu suchen.
In der Folgezeit bemühten sich die Klägerin und ihr Ehemann selbst um eine Betreuung für ihre Tochter. Die Klägerin schloss am 26.06.2014 einen Betreuungsvertrag mit der Kindertagespflegeperson Frau K. in B.. Die Tagespflege sollte am 09.09.2014 beginnen, montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 15:00 Uhr erfolgen und voraussichtlich am 09.09.2015 enden. Im Hinblick auf die ursprünglich von der Klägerin und ihrem Ehemann begehrte Betreuung ab dem 01.08.2014 wies Frau K. beide darauf hin, dass zwei weitere Tagesmütter noch Plätze frei hätten.
Am 05.07.2014 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann beim Beklagten für ihre Tochter Kindertagespflege ab dem 09.09.2014 und führten zur Begründung aus, dass sie während der Betreuungszeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen würden. Mit Bescheid vom 22.08.2014 gewährte der Beklagte Frau K. nach § 23 SGB VIII i. V. m. § 6 und der Anlage 1 der Satzung des Landkreises Northeim über die Förderung von Kindern in der Kindertagespflege und die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Kindertagespflege in der derzeit gültigen Fassung die laufende Geldleistung für das oben genannte Kindestagepflegeverhältnis mit der durchschnittlichen monatlichen Betreuungszeit von 140,73 Stunden für die Zeit vom 09.09.2014 bis zum 31.08.2015.
Anfang September 2014 wurde der Klägerin und ihrem Ehemann ein Krippenplatz für ihre Tochter im Kindergarten in B. ab dem 06.10.2014 angeboten. Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen den Krippenplatz in Anspruch und teilten Frau K. mit, dass keine Tagespflege mehr gewünscht werde. Der Beklagte hob daraufhin am 24.09.2014 den Bewilligungsbescheid vom 22.08.2014 auf.
Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass bei zwei der in der E-Mail vom 03.04.2014 genannten Tagespflegepersonen keine Betreuungsplätze zum 01.08.2014 mehr frei gewesen seien und die dritte Person offenbar noch keine Zulassung zur selbstständigen Durchführung von Tagespflege gehabt habe. Die Eingewöhnungszeit der Tochter der Klägerin in der Kinderkrippe habe bis zum 07.11.2014 gedauert, so dass sie ihre Arbeit erst ab dem 01.12.2014 wieder habe aufnehmen können. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte seine Amtspflichten dadurch verletzt habe, d...