Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des einzusetzenden Einkommens im Rahmen der PKH/VKH

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den "Kosten der Unterkunft und Heizung" i.S.d. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO gehören über die Kaltmiete und die direkten Heizkosten hinaus auch alle weiteren Mietnebenkosten, soweit diese nicht ausdrücklich bereits bei der Herleitung des Regelbedarfs berücksichtigt sind (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 2.12.2010 - 10 WF 362/10, MDR 2011, 257 f. = JurBüro 2011, 145 f. = FuR 2011, 175 f. = BeckRS 2010, 30725 = juris = FamRZ 2011, 911 [Ls]).

2. In die Bestimmung des Regelbedarfs nach dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz sind - anders als bei früheren Ermittlungen - gesonderte Kosten für die Wasserversorgung nicht (mehr) eingeflossen. Entsprechende Aufwendungen sind daher seit Januar 2011 als Unterkunftskosten im Rahmen der Einkommensermittlung für die PKH/VKH berücksichtigungsfähig (Anschluss an OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.5.2013 - 4 WF 74/13, NJW 2013, 2370 f. = FamRZ 2014, 410f = juris; OLG Brandenburg - Beschl. v. 29.5.2013 - 15 WF 129/13, FamRZ 2013, 1596 f. = NJW 2013, 3108 f. = juris; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.12.2013 - 6 WF 187/13, MDR 2014, 408 f. = juris; OLG Dresden, Beschl. v. 15.1.2014 - 20 WF 1200/13, MDR 2014, 241 f. = FamRZ 2014, 962 [Ls] = juris; Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 2.12.2010 -, a.a.O., - zur früheren Rechtslage).

3. Da bei der Herleitung des Regelbedarfs seit Januar 2011 mithin allein die Haushaltsenergie in Form von Strom bereits berücksichtigt ist, handelt es sich bei allen anderen Mietnebenkosten um "Kosten der Unterkunft und Heizung" i.S.d. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO, die vom im Rahmen der VKH/PKH einzusetzenden Einkommen abzusetzen sind.

4. Bei der Ermittlung des im Rahmen der VKH/PKH einzusetzenden Einkommens sind aufgrund der Rechtsänderung zum 1.1.2014 gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZPO - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 5.5.2010 - XII ZB 65/10, FamRZ 2010, 2436 ff. = MDR 2010, 948 = NJW-RR 2011, 3 f. = juris) - auch die Mehrbedarfe nach § 21 des SGB II bzw. § 30 SGB XII abzusetzen, also insbesondere auch die Mehrbedarfssätze für Alleinerziehende gem. § 30 Abs. 3 SGB XII.

 

Normenkette

FamFG § 76; ZPO § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 115 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 21.08.2014; Aktenzeichen 630 F 3693/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 21.8.2014 im Ausspruch zur Ratenanordnung geändert und insoweit angeordnet:

Die Antragstellerin hat derzeit keine Raten auf die Verfahrenskosten zu leisten.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat im vorliegenden, im Juli 2014 eingeleiteten Verfahren den Erlass einer einstweiligen Gewaltschutzanordnung gegen den Antragsgegner betrieben, die nach persönlicher Anhörung am 30.7.2014 ergangen ist. Im Anhörungstermin haben die Beteiligten zudem eine Vereinbarung zum Umgang des gemeinsamen Kindes geschlossen.

Das AG hat sodann mit Beschluss vom 21.8.2014 der Antragstellerin die für das Verfahren sowie die Umgangsvereinbarung nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt und ihr zugleich die Zahlung von monatlichen Raten i.H.v. 99 EUR auf die Verfahrenskosten auferlegt.

Gegen diese Ratenzahlungsauflage richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, die auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung auch eines Mehrbedarfs als Alleinerziehende hinweist, und die Mietnebenkosten insgesamt für berücksichtigungsfähig erachtet. Das AG hat mit Beschluss vom 1.9.2014 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt. Der Einzelrichter hat die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen.

II. Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Im Streitfall ist das AG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin über ein einzusetzendes Einkommen verfüge, aus dem sich für sie eine Verpflichtung zur Zahlung von Raten auf die Verfahrenskosten ergäbe. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Die Antragstellerin verfügt ausweislich ihrer - einschließlich der erforderlichen Belege vorgelegten - Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus dem Bezug von BAFöG-Leistungen, Wohngeld und Kindergeld über monatliche Einkünfte in einer Gesamthöhe von 1.779 EUR.

2. Davon hat das AG zutreffend abgesetzt gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a) ZPO die Freibeträge für die Antragstellerin (452 EUR) sowie ihrer beiden Kinder im Alter von einem bzw. acht Jahren unter Berücksichtigung des für die jüngere Tochter bezogenen Unterhaltsvorschusses (263 EUR + 299 EUR - 133 EUR = 429 EUR), gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ZPO angemessene Versicherungsleistungen (Krankenversicherung und "Riestervertrag": 97,01 EUR), Studiengebühren (auf den Monat umgelegt 62,33 EUR) sowie angemessene Zins- und Tilgungsraten (50 EUR). Dies entspricht insgesamt einem Betrag von 1.090,34 EUR.

3. Als Unterkunfts- und Heizkosten gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 N...

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