Leitsatz (amtlich)

Zum Abzug von berufsbedingten Fahrtkosten bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens bei der PKH.

 

Normenkette

ZPO § 115

 

Verfahrensgang

AG Soltau (Beschluss vom 13.05.2009; Aktenzeichen 13 F 1107/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Soltau vom 13.5.2009 teilweise dahin geändert, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Raten auf die bewilligte Prozesskostenhilfe entfällt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 13.5.2009 dem Antragsteller für das Ehescheidungsverfahren und die Folgesache Versorgungsausgleich Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm einen Rechtsanwalt beigeordnet. Zugleich hat es angeordnet, dass der Antragsteller auf die bewilligte Prozesskostenhilfe monatliche Raten i.H.v. 75 EUR, beginnend mit dem 1.6.2009, zu zahlen habe. Die von dem Antragsteller zu zahlenden Raten sind wie folgt berechnet worden:

durchschnittliches Nettoeinkommen

1.800 EUR

berufsbedingte Aufwendungen 5,20 EUR × 40 km

-208 EUR

angemessener Abschlag für Erwerbstätige

-176 EUR

Kosten Unterkunft und Heizung

-460 EUR

Angemessene Versicherungsbeiträge

-98,61 EUR

Freibetrag für die PKH beantragende Partei

-386 EUR

gezahlter Barunterhalt

-216 EUR

einzusetzendes Einkommen

255,39 EUR

daraus folgt eine Rate von

75 EUR

Gegen diesen Beschluss, der dem Antragsteller nicht zugestellt worden ist, richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Er erstrebt den Fortfall der Ratenzahlungsverpflichtung wegen höherer Abzüge. Er fahre arbeitstäglich mit dem Pkw 106 km von seinem Wohnort in S. zu seinem Arbeitsort G. bei W. hin- und zurück, bei monatlich 20 Arbeitstagen mithin 2.120 km. Zudem verfüge er über keinen Pkw, sondern habe das Fahrzeug ab März 2009 von seiner Mutter (richtig: von seinen Eltern) für monatlich 360 EUR gemietet.

Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, weil die im Rahmen der Prozesskostenhilfe abzugsfähigen Beträge für Fahrten zur Arbeit nach § 3 Abs. 6 Nr. 2. a der VO zur Durchführung des § 82 SGB XII auf höchstens monatlich 40 Entfernungskilometer à 5,20 EUR begrenzt und damit sämtliche mit der Anschaffung und Unterhaltung eines Fahrzeuges verbundenen Kosten abgegolten seien.

Der Einzelrichter hat die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Antragsteller hat keine Raten auf die ihm bewilligte Prozesskostenhilfe zu zahlen.

Die Verpflichtung, Raten auf die bewilligte Prozesskostenhilfe zu zahlen, bestimmt sich nach § 115 Abs. 2 ZPO. Dabei sind zunächst die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nach § 115 Abs. 1 ZPO zu bestimmen. Wenn nach Abzug der in § 115 Abs. 1 ZPO genannten Beträge ein 15 EUR übersteigender Betrag verbleibt, hat die Partei Raten auf die bewilligte Prozesskostenhilfe zu zahlen.

Der Antragsteller erzielt monatliche Nettoeinkünfte von 1.800 EUR. Gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO sind von dem Einkommen die § 82 Abs. 2 SGB XII genannten Beträge abzusetzen. Nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII sind die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzuziehen. Hier macht der Antragsteller geltend, er fahre arbeitstäglich 106 km für die Strecke von seinem Wohnort in S. zu seinem Arbeitsort in G. bei W. und zurück. Er verfüge über keinen eigenen Pkw, sondern habe sich einen Pkw von seiner Mutter für 360 EUR monatlich gemietet.

In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, in welcher Weise berufsbedingte Fahrtkosten bei der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 115 ZPO zu berücksichtigen sind.

a) Nach einer Auffassung ist bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 115 ZPO die Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2170-1-4, veröffentlichen bereinigten Fassung, die zuletzt durch Art. 11 des Gesetzes vom 21.3.2005 (BGBl. I, 818) geändert worden ist als zwingendes Recht anzuwenden (OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1962; OLG Bamberg, FamRZ 2008, 1541; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 158; Motzer in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 115 Nr. 28; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Rz. 258). Nach § 3 Abs. 6 dieser Verordnung sind die Kosten für die Fahrt zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte mit einem monatlichen Betrag von 5,20 EUR je Entfernungskilometer anzusetzen. Jedoch werden nicht mehr als 40 km berücksichtigt. Das Familiengericht ist dieser Auffassung gefolgt und hat die geltend gemachten Fahrtkosten auf einen Betrag von 208 EUR begrenzt (5,20 EUR/km × 40 km). Danach wäre die sofortige Beschwerde unbegründet.

b) Nach einer vermittelnden Auffassung sind neben der Pauschale von 5,20 EUR je Entfernungskilometer die monatlichen Kosten für Kraftfahrzeughaftpflicht und Kraftfahrzeugsteuer zu berücksichtigen (LA...

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