Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Unterhalt zu Lasten des Trägers sozialer Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Fall noch zu titulierenden Unterhalts führt § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II nicht zu einer Ausweitung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners.

 

Normenkette

BGB § 1603; SGB II § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

AG Oberhausen (Beschluss vom 03.02.2010)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Oberhausen vom 3.2.2010 abgeändert;

der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Streitwert für die Beschwerdeinstanz: 4.008 EUR

 

Gründe

I. Das antragstellende Kind (...1995) ist der Sohn der Antragsgegnerin (...1967); es lebt seit Oktober 2009 beim Vater und wird von diesem gesetzlich vertreten. Bis Februar 2009 befand sich das Kind im Haushalt der Antragsgegnerin, bevor es in ein Jugendheim wechselte, polizeilich jedoch noch bei der Mutter gemeldet blieb. Ab Oktober 2009 ist der Antragsteller unter der väterlichen Anschrift gemeldet.

Die Antragsgegnerin bezieht durchgehend Leistungen nach dem SGB II. Sie hat die Sonderschule besucht, diese jedoch nicht abgeschlossen. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist ebenfalls nicht vorhanden. Mit 20 Jahren hat die Antragsgegnerin ihr erstes Kind bekommen (sie hat von 1986 bis 1999 mit dem Vater des Antragstellers zusammengelebt und mit diesem zwei weitere - ältere - Kinder) und danach nicht mehr versicherungspflichtig gearbeitet. Aktuelle Arbeitsbemühungen wurden in geringem Umfang belegt (insgesamt 20 Anfragen), die ausnahmslos auf den 16.12.2009 datieren (vgl. dazu den "Nachweis von Eigenbemühungen" Gerichtsakte - GA - Bl. 42 f.).

Die Antragsgegnerin geht seit dem 1.3.2009 jeden Tag - auch an Wochenenden - für die Dauer von jeweils 3 bis 4 Stunden einer Tätigkeit als Haushaltshilfe bei der (behinderten) Schwester ihres jetzigen Freundes nach. Sie bezieht dafür eine Entlohnung von monatlich 150 EUR ("mehr darf ich von der ARGE nicht verdienen"); eine Meldung zur Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung ist erfolgt (s. dazu GA Bl. 66.).

Das AG hat die Antragsgegnerin zur Zahlung des Mindestunterhalts ab Wirksamwerden der Entscheidung verpflichtet. Es hat die Antragsgegnerin für grundsätzlich leistungsunfähig erachtet, ist jedoch im Hinblick auf § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin ohne Anrechnung auf die bezogenen Sozialleistungen titulierten Kindesunterhalt hinzuverdienen könne. Letzteres sei ihr - ab Wirksamwerden der Entscheidung - möglich und zumutbar.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Abweisungsantrag weiter. Die Möglichkeit anrechnungsfreien Hinzuverdienstes bestehe lediglich dann, wenn eine Unterhaltsverpflichtung bereits bei Beginn des Bezuges der Sozialleistungen tituliert gewesen sei.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die - zulässige - Beschwerde hat Erfolg.

Anspruchsgrundlage für den beanspruchten Kindesunterhalt sind die §§ 1601 ff. BGB.

Die Antragsgegnerin ist angesichts ihrer beruflichen Biografie nicht leistungsfähig, den geforderten und vom AG titulierten Mindestunterhalt zu zahlen, auch nicht anteilig. Sie müsste monatlich 1.905 EUR brutto verdienen, was einem Stundenlohn von 11,10 EUR entspricht, um monatlich netto bereinigt 1.234 EUR erzielen und mithin den titulierten Unterhalt von derzeit 334 EUR (= 426 - 92 EUR) zahlen zu können (vgl. Schürmann in FamRZ 2010, 423). Solche Einkünfte kann die Antragsgegnerin auch nicht annähernd erzielen, wie es auch das AG erkannt hat. Nach den Erfahrungen des Senats aus anderen Unterhaltsverfahren erscheint ein Stundenlohn von brutto mehr als 7,50 EUR für Frauen mit vergleichbaren Voraussetzungen unrealistisch; in jüngster Zeit sind ihm bereits Fälle bekannt geworden, in denen nachweislich 6 EUR als Bruttostundenlohn gezahlt wurden. Angesichts der besonders ungünstigen persönlichen Voraussetzungen - unzulängliche Schulausbildung, fehlende Berufsausbildung und -erfahrung - schätzt er den für die Antragsgegnerin erzielbaren Stundenlohn auf allenfalls 6,50 EUR und das bereinigte Monatsnettoeinkommen auf etwa 800 EUR. Im Reinigungsgewerbe beläuft sich der tarifliche Stundenlohn derzeit zwar auf brutto 8,55 EUR; in diesem Bereich, der für die Antragsgegnerin in Betracht kommen könnte, werden aber ganz überwiegend Teilzeitkräfte beschäftigt. Auf die fehlenden bzw. nicht hinreichenden Erwerbsbemühungen kommt es bei dieser Sachlage nicht entscheidend an, da diese nicht ursächlich für die fehlende Leistungsfähigkeit sind. Im Senatstermin ist streitig geworden, ob die Antragsgegnerin mit einem Partner eheähnlich zusammenlebt. Diese Frage muss der Senat allerdings nicht aufklären. Denn die Zurechnung eines Versorgungsentgelts für den Fall, dass die Antragsgegnerin ihrem jet...

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