Leitsatz (amtlich)
1. Ausführungen eines Sachverständigen zum Kostenaufwand eines Ergänzungsgutachtens, das u.a. durch das Privatgutachten einer Partei veranlasst wird, können nur dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn ihnen eindeutig eine Vorfestlegung zu entnehmen oder mit ihnen eine unsachliche Kritik an dem Privatgutachten verbunden ist.
2. Die Mitwirkung des Sachverständigen in anderen Gerichtsverfahren gibt grundsätzlich keinen Anlass zu einer Besorgnis der Befangenheit. Auch eine zurückliegende private Beauftragung des Sachverständigen durch Verfahrensbeteiligte und/oder ihre Bevollmächtigten rechtfertigt nicht den Verdacht der Voreingenommenheit, solange nicht eine derart enge geschäftliche Verbundenheit vorliegt, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht. Die unterlassene Anzeige einer solchen privatgutachterlichen Tätigkeit kann daher auch nicht Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit begründen.
3. Dass ein Sachverständiger beabsichtigt, im Rahmen der Gutachtenerstattung auf die Unterstützung durch Hilfskräfte zurückzugreifen, stellt seine Unparteilichkeit nicht infrage.
4. Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit des Sachverständigengutachtens geben keinen Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen.
Normenkette
SpruchG § 17 Abs. 1; ZPO §§ 406, 407a Abs. 2 S. 2, § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 20.08.2013; Aktenzeichen 31 O 89/06 (AktE)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 20.8.2013 - 31 O 89/06 (AktE) - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 67.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Das vorliegende Spruchverfahren betrifft die in der Hauptversammlung der E. AG vom 29.5.2006 beschlossene Übertragung der Aktien von Minderheitsaktionären auf die Antragsgegnerin (sog. Squeeze-out).
Der Übertragungsbeschluss sieht eine Barabfindung mit 42,66 EUR je Stückaktie mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals i.H.v. 1 EUR vor. Der Berechnung dieser Barabfindung liegt eine seitens der L ... gesellschaft erstattete Unternehmensbewertung (Anlage AG 4 S. 95 ff.) zugrunde. Dort wird die Barabfindung anhand des Drei-Monats-Durchschnittskurses der E. AG-Aktie noch für den Referenzzeitraum vom 20.12.2005 bis zum 19.3.2006 bestimmt; in dem - nach der Stollwerck-Entscheidung des BGH vom 19.7.2010 (II ZB 18/09, zitiert aus JURIS) maßgeblichen - Zeitraum vom 20.9.2005 bis 19.12.2005, d.h. vor Ankündigung der Übernahmeabsicht der Antragsgegnerin, hatte der Börsenwert der Aktie nur 36,62 EUR betragen. Anhand des Ertragswertverfahrens wird der Wert je Aktie im Bewertungsgutachten mit 33,70 EUR ermittelt; hinsichtlich des insoweit mit 0,7 ermittelten Betafaktors wird dort erläutert, dass aufgrund des geringen Streubesitzanteils (Free Float) der Aktien der E. AG auf die Betafaktoren börsennotierter Vergleichsunternehmen (Peer Group) zurückzugreifen sei (Anlage AG 4 S. 134 f.).
Die Angemessenheit der Barabfindung hat die vom LG zum sachverständigen Prüfer gem. § 327c Abs. 2 AktG bestellte ... mit Prüfbericht vom 18.4.2006 (Anlage AG 5) bestätigt.
Im Zusammenhang mit mehreren Anfechtungsklagen gegen den Übertragungsbeschluss verpflichtete sich die Antragsgegnerin, jedem Minderheitsaktionär einen zusätzlichen Betrag von 1,37 EUR je Aktie zu zahlen; später verpflichtete sie sich zu einer weiteren Zuzahlung von 1,08 EUR je Aktie. Der Gesamtbetrag aus Barabfindung und Zuzahlungen beträgt damit derzeit 45,11 EUR je Stückaktie.
In dem vorliegenden Spruchverfahren machen die Antragsteller geltend, die ihnen angebotene Barabfindung sei - auch unter Berücksichtigung der vorgenommenen Erhöhungen - noch zu niedrig. Die dem Bewertungsgutachten zugrunde gelegte Planung sei viel zu pessimistisch, Basiszins, Marktrisikoprämie und Risikozuschlag seien zu hoch, der Wachstumsabschlag zu niedrig angesetzt. Zudem rügen die überwiegende Zahl der Antragsteller und der gemeinsame Vertreter der Minderheitsaktionäre (vgl. Bl. 463 ff. d.A.) übereinstimmend, zur Ermittlung eines angemessenen Zuschlags sei der unternehmenseigene Betafaktor heranzuziehen.
Mit Beschluss vom 2.4.2009 (Bl. 902 f. d.A.) hat das LG den Sachverständigen Dr. G., J. AG (im Folgenden: J. AG), mit der Neubewertung beauftragt und ihm u.a. aufgegeben, "den anzunehmenden Betafaktor zu berechnen und nachvollziehbar zu erläutern, insbesondere hinsichtlich der Fragen der Referenzindizes, der Länge der Referenzperiode und der Berücksichtigung von arithmetischem und geometrischem Mittel".
In seinem Gutachten vom 9.1.2012 (Bl. 992 ff. d.A.) hat der Sachverständige Anpassungen gegenüber der Bewertung der L ... gesellschaft vorgenommen, die im Ergebnis zu einem Wert von 52,75 EUR je Aktie führen. Unter anderem zieht er den unternehmenseigenen Betafaktor heran und ermittelt so eine...