Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Mitteilung relevanter Einkommensverbesserung im VKH - Überprüfungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Ein schlichtes Vergessen der sich aus § 120a Abs. 2 ZPO ergebenden Mitteilungspflicht für sich allein reicht für die Entziehung der Verfahrenskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 1. Alt ZPO nicht aus, es ist vielmehr ein qualifiziertes Verschulden im Sinne einer groben Fahrlässigkeit oder Absicht erforderlich.
Normenkette
ZPO § 120
Verfahrensgang
AG Biedenkopf (Beschluss vom 01.06.2018; Aktenzeichen 32 F 611/14 VKH2) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Biedenkopf vom 1.6.2018 aufgehoben, so dass es bei der ratenfreien Verfahrenskostenhilfebewilligung bleibt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 14.11.2014 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung in der vorliegenden Kindschaftssache unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Der Entscheidung lag die Erklärung der Antragsgegnerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 29.10.2014 zugrunde, wonach ihr seinerzeit Einnahmen in Höhe von mtl. netto 739,25 EUR (405,25 EUR SGB II + 150,00 EUR Betreuungsgeld + 184,00 EUR Kindergeld) zur Verfügung standen, denen Mietkosten von mtl. 200,00 EUR und eine bis August 2016 zu bedienende Zahlungsverpflichtung aus einem KFZ-Darlehen in Höhe von mtl. 150,00 EUR gegenüberstanden. In dem von der Antragsgegnerin unterzeichneten Vordruck befindet sich vor der Zeile für die zu leistende Unterschrift die folgende Passage:
"Mir ist auch bekannt, dass ich während des Gerichtsverfahrens und innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens verpflichtet bin, dem Gericht wesentliche Verbesserungen meiner wirtschaftlichen Lage oder eine Änderung meiner Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen. Bei laufenden Einkünften ist jede nicht nur einmalige Verbesserung von mehr als 100 Euro (brutto) im Monat mitzuteilen. Reduzieren sich geltend gemachte Abzüge, muss ich dies ebenfalls unaufgefordert und unverzüglich mitteilen, wenn die Entlastung nicht nur einmalig 100 Euro im Monat übersteigt. Ich weiß, dass die Bewilligung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bei einem Verstoß gegen diese Pflicht aufgehoben werden kann, und ich dann die gesamten Kosten nachzahlen muss."
Mit Verfügung vom 12.1.2018 forderte das Amtsgericht die Antragsgegnerin im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahrens auf, eine aktuelle Erklärung über ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse einzureichen. Die Antragsgegnerin übersandte daraufhin eine neue Erklärung zu den Akten. Danach verfügt sie nunmehr über Einkünfte aus Teilzeittätigkeit (20 Stundenwoche) in Höhe von mtl. 1.090,51 EUR netto zzgl. 194,00 EUR Kindergeld, denen Mietkosten von mtl. 300,00 EUR und berufsbedingte Fahrtkosten gegenüberstehen.
Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 1.6.2018 den Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 14.11.2014 unter Verweis auf § 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit §§ 120a Abs. 2, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO mit der Begründung aufgehoben, dass die Antragsgegnerin seit mindestens Mai 2017 über ein ca. 400 EUR höheres Nettoeinkommen verfüge, was sie entgegen ihrer am 29.10.2014 mit ihrer Unterschriftleistung zur Kenntnis genommenen Verpflichtung nicht von sich aus angegeben habe.
Gegen den ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 4.7.2018 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 23.7.2018 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, die ihr obliegende Mitteilung über die Änderung ihrer Einkommensverhältnisse weder absichtlich noch aus grober Nachlässigkeit versäumt zu haben und gibt hierzu erläuternd an, dass sie in den vergangenen Jahren im Rahmen diverser vor dem Familiengericht Biedenkopf geführter Kindschafts- und Unterhaltssachen nebst Beschwerdeverfahren, in denen sie Verfahrenskostenhilfeanträge teilweise auch in Hinblick auf den Verfahrensgegner auferlegter Kostenlast zurückgenommen habe, den Überblick verloren habe.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27.7.2018 nicht abgeholfen und hierzu ausgeführt, dass die Anzahl der sonstigen Verfahren, in denen der Antragsgegnerin ebenfalls Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei, nämlich ... und ..., kein Grund sei, eine Mitteilung über die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse zu unterlassen, und zwar notfalls ohne Angabe des jeweiligen Aktenzeichens. Die Aufhebung der Bewilligung sei auch nicht unverhältnismäßig, zumal die Antragsgegnerin in der Zeit zwischen Oktober 2014 und Juli 2015 insgesamt drei Mal die entsprechenden Erklärungen mit den vorstehenden Hinweisen unterzeichnet habe.
Der Einzelrichter hat das Verfahren gemäß § 568 ...