Leitsatz (amtlich)
Kosten der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung werden vom verfahrenskostenhilferechtlichen Grundfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a) ZPO nicht erfasst und rechnen daher zu den nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO vom Einkommen abzusetzenden Kosten der Unterkunft.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nrn. 2a, 3
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Beschluss vom 19.02.2013; Aktenzeichen 612 F 775/11) |
Tenor
Die Ratenfestsetzung im angefochtenen Beschluss wird abgeändert. Die Höhe der von der Antragsgegnerin ab April 2013 auf die bewilligte Verfahrenskostenhilfe zu zahlenden Raten wird festgesetzt auf 60 EUR.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 19.2.2013, dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin zugestellt am 22.2.2013, hat das AG der Antragsgegnerin für die mittlerweile abgeschlossene Scheidungssache der Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt und die von der Antragsgegnerin ab April 2013 auf die Verfahrenskostenhilfe zu zahlenden monatlichen Raten auf 155 EUR festgesetzt. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Kosten der Unterkunft hat es bei der Berechnung des für die Ratenzahlung verfügbaren Einkommens in Höhe des auf "Wassergeld- und Kanalgebühren" entfallenden Vorauszahlungsbetrags von 60 EUR monatlich mit der Begründung unberücksichtigt gelassen, diese seien aus dem Selbstbehalt zu entrichten. Wegen der Berechnung der Ratenhöhe im Übrigen wird auf die Anlage zum angefochtenen Beschluss, Bl. 12 des VKH-Hefts, und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Mit ihrer am 11.3.2013 beim AG eingegangenen sofortigen Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin eine Überprüfung der festgesetzten Ratenhöhe. Mit ihrer Beschwerde macht sie erstmals monatliche Kreditraten von 141,69 EUR für den Kauf eines Kraftfahrzeugs zum Preis von 9.650 EUR am 10.9.2012 geltend, außerdem eine Reduzierung ihres monatlichen Einkommens.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das von ihm in Ansatz gebrachte Einkommen ergebe sich aus den aus der Verdienstbescheinigung für Dezember 2012 ersichtlichen Jahreswerten. Eine Einkommensreduzierung des Jahreseinkommens lasse sich der nun vorgelegten Verdienstbescheinigung für Januar 2013 nicht entnehmen. Die geltend gemachten Kreditraten seien nicht abzugsfähig, weil die Antragsgegnerin den Kredit erst während des laufenden Verfahrens aufgenommen habe und nicht dargelegt habe, zwingend auf die Nutzung des Fahrzeugs angewiesen zu sein.
Die Antragsgegnerin hat gegenüber dem Senat dargelegt, als Aufsicht in einer fünf Kilometer von ihrem Wohnort entfernten Spielhalle im Zweischichtbetrieb von 10 bis 18 Uhr bzw. von 20 bis 4 Uhr beschäftigt zu sein und jedenfalls nach Dienstschluss um 4 Uhr mangels um diese Zeit verkehrender öffentlicher Verkehrsmittel auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen zu sein. Von ihrem Arbeitgeber werde sie im Übrigen gelegentlich als Springerin in Spielhallen in L., S. oder G. eingesetzt und sei insoweit ebenfalls auf ein Kraftfahrzeug angewiesen. Ihren 17 Jahre alten Opel Astra habe sie im Jahr 2012 als "Bastlerfahrzeug" zum Preis von 400 EUR verkauft und dafür das nun genutzte Fahrzeug erworben.
Die Antragsgegnerin hat dem Senat außerdem Belege über monatliche, bislang nicht geltend gemachte Heizkosten (Kosten der Gasversorgung) von 38 EUR vorgelegt.
Der zuständige Einzelrichter hat die Entscheidung über die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Absetzbarkeit von Kosten der Wasserversorgung als Kosten der Unterkunft durch Beschluss vom 6.5.2013 dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Herabsetzung der Ratenhöhe.
Neben der vom AG bereits abgesetzten monatlichen Kaltmiete von 331,89 EUR und den im Mietvertrag nicht näher bezeichneten Betriebskosten von 31,42 EUR sind auch die vom AG nicht berücksichtigten "Wassergeld- und Kanalgebühren" von 60 EUR als Kosten der Unterkunft i.S.d. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO vom Einkommen abzusetzen.
Der noch an die Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelsatzverordnung - RSV) vom 3.6.2004 (BGBl. I, 1067) anknüpfenden gegenteiligen Auffassung des BGH in seiner Entscheidung vom 8.1.2008 - VIII ZB 18/06, FamRZ 2008, 781, vermag der Senat nach In-Kraft-Treten des im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010, 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, BVerfGE 125,175, erlassenen und zum 1.1.2001 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ermittlung des Regelbedarfs nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG, BGBl. I, 453) nicht mehr zu folgen.
Anders als noch in § 2 Abs. 2 Nr. 3 RSV werden die Kosten der Wasserversorgung - die Kosten der Abwasserentsorgung waren bereits in der RSV nicht erwähnt - in den in § 5 Abs. 1 RBEG erwähnten regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Wie sich...