Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 04.03.1992; Aktenzeichen 310 O 409/91) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 10 – vom 4. März 1992 abgeändert und das Ablehnungsgesuch des Klägers für begründet erklärt.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Das Gesuch des Klägers, die Richterin am Landgericht … wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist gemäß § 42 ZPO begründet.
Die Äußerung der Richterin gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 1992 „ich habe jetzt keine Zeit, mich mit solchen Kinkerlitzchen aufzuhalten”, stellte einen Grund dar, der vom Standpunkt des Klägers bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken kann, die Richterin stehe dem Kläger nicht unvoreingenommen gegenüber. Dabei handelt es sich nämlich um eine nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht gerechtfertigte Unmutsäußerung, mit der die Verhandlungsführung seines Prozeßbevollmächtigten herabgewürdigt worden ist. Die beleidigende Wortwahl „Kinkerlitzchen”, mit der sowohl ein überflüssiges wie auch ein unsachliches Verhalten des Prozeßbevollmächtigten zum Ausdruck gebracht worden ist, begründete auch bei objektiver Betrachtung für den Kläger die Befürchtung, daß die Richterin auch in der Sache selbst ein Anliegen nicht ernst nehmen und gerecht beurteilen werde.
Dem angefochtenen Beschluß ist darin zuzustimmen, daß die vom Kläger beanstandete Äußerung nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern es auf den Zusammenhang ankommt, in dem sie gefallen ist. Dieser ergibt aber nicht, daß die Richterin durch ein unmittelbar vorangegangenes unsachliches Verhalten des Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu ihrer Äußerung provoziert worden ist. Dieser hat gerade nicht, wie der angefochtene Beschluß annimmt, sich ohne Veranlassung einen Befangenheitsantrag vorbehalten, sondern lediglich auf die Präge der Richterin reagiert, ob er sie ablehnen wolle. Seine in der dienstlichen Äußerung der Richterin wiedergegebene Antwort, er wolle das nicht, es komme ihm ausschließlich auf eine sachgemäße Vernehmung des Zeugen an, er behielte sich aber die Stellung eines Ablehnungsgesuches vor, war sachlich und bietet keine Veranlassung zu Beanstandungen.
Auch die vorangegangene Auseinandersetzung zwischen der Richterin und dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers über die Vernehmung des Zeugen … ist nicht geeignet, die beanstandete Äußerung zu rechtfertigen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Verhandlungsführung der Richterin zu Recht oder, zu Unrecht beanstandet hat. Auch wenn letzteres der Fall war, mußte die Richterin im Rahmen ihrer Verhandlungsleitung sachlich auf die Beanstandung eingehen, zumal nichts dafür ersichtlich ist, daß diese in unangemessener Form erfolgt ist.
Der Senat verkennt nicht, daß es im Rahmen einer schwierigen Beweisaufnahme zu Auseinandersetzungen zwischen Prozeßbevollmächtigten und Gericht kommen kann, die eine gereizte Reaktion verständlich machen. Der Richter ist dann nicht verpflichtet, völlig emotionslos zu reagieren. Er muß aber, wenn er merkt, daß er durch eine nach ihrer Wortwahl unangemessene Äußerung die Partei oder ihren Prozeßbevollmächtigten gekränkt hat, die Souveränität aufbringen klarzustellen, daß seine Äußerung durch die Verhandlungssituation verursacht worden ist und keine Abwertung der Partei und ihres Klagbegehrens darstellt.
Unterschriften
Johannsen, Bursch, Raben
Fundstellen
NJW 1992, 2036 |
FPR 2000, 163 |