Verfahrensgang
AG Detmold (Aktenzeichen 4 OWi 249/11) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Detmold zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fahrlässigen nicht vollständigen Erteilens einer Auskunft" (Ordnungswidrigkeit nach §§ 63 Abs. 1 Nr. 4, 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II) zu einer Geldbuße von 275 € verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (vorläufig) Erfolg. Das angefochtene Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen vermögen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 63 Abs. 1 Nr. 4, 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht zu tragen.
1. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der geschiedenen Ehe des heute 40 Jahre alten Betroffenen entstammen eine 13 Jahre alte Tochter sowie der 12 Jahre alte Sohn M. Im Juni 2010 beantragte die frühere Ehefrau des Betroffenen für sich und den bei ihr lebenden Sohn M bei der "L GmbH" (gemeinsame Einrichtung im Sinne des § 44b SGB II) Leistungen nach dem SGB II. Die "L GmbH" informierte den Betroffenen hierüber mit Schreiben vom 25. Juni 2010, dem Betroffenen zugestellt am 29. Juni 2010, und forderte ihn unter Hinweis auf § 60 Abs. 2 SGB II und Fristsetzung bis zum 23. Juli 2010 auf, einen dem Schreiben beigefügten und mit "Erklärung zur Unterhaltsfähigkeit" überschriebenen Vordruck zusammen mit entsprechenden Nachweisen ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden. Der Betroffene reagierte auf dieses Schreiben nicht. Die "L GmbH" erinnerte ihn mit Schreiben vom 29. Juli 2010 unter Fristsetzung bis zum 20. August 2010 an die Erledigung des Auskunftsverlangens vom 25. Juni 2010. Der Betroffene reichte daraufhin am 20. August 2010 den von ihm ausgefüllten Vordruck "Erklärung zur Unterhaltsfähigkeit" bei der "L GmbH" ein. Diese forderte den Betroffenen mit Schreiben vom 23. August 2010 unter Fristsetzung bis zum 31. August 2010 auf, ergänzend noch folgende Unterlagen einzureichen: "Gehaltsabrechnungen der letzten 12 Monate, Steuerbescheid 2009, Kreditvertrag, Kontoauszüge über die geleisteten monatlichen Raten in Höhe von 300,00 €, Versicherungspolicen, Darlehensverträge und Kontoauszüge über ,diverse Abzahlungen‚ laut Fragebogen in Höhe von 250,00 €". Diese Unterlagen reichte der Betroffene in der Folgezeit nicht bei der "L GmbH" ein. Nach vorheriger Anhörung des Betroffenen erließ die "L GmbH" schließlich am 11. November 2010 den dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Bußgeldbescheid.
2. Abgesehen davon, dass sich den Feststellungen des Amtsgerichts nicht entnehmen lässt, welche konkreten Auskünfte die "L GmbH" in ihrem Vordruck "Erklärung zur Unterhaltsfähigkeit" von dem Betroffenen verlangt hat, welche konkreten Angaben der Betroffene auf dem am 20. August 2010 ausgefüllt bei der "L GmbH" eingegangenen Formular gemacht hat und in welchem Zusammenhang hierzu die von der "L GmbH" in ihrem Schreiben vom 23. August 2010 angeforderten Unterlagen stehen, vermögen die Darlegungen des Amtsgerichts den Schuldspruch bereits aus den nachfolgenden Erwägungen nicht zu tragen:
a) Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II hat, wer jemandem, der eine Leistung nach dem SGB II beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen - hierzu gehören insbesondere Unterhaltsleistungen - verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern, der Agentur für Arbeit bzw. der gemeinsamen Einrichtung im Sinne des § 44b SGB II auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt.
b) Nach einhelliger Auffassung in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur handelt es sich bei dem Auskunftsverlangen im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (BSGE 107, 255; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2011 - L 13 AS 4950/10 -
≪juris≫; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Dezember 2007
- L 19 B 130/07 AS - ≪juris≫; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Mai 2007 - L 28 B 529/07 AS -, BeckRS 2009, 65419; Sander in: Hohm (Hrsg.), GK-SGB II, § 60 Rdnr. 20 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Steinmeyer in: Gagel, SGB II/SGB III, 44. Erg.Lfg. [2012], § 60 SGB II Rdnr. 47). Objektives Tatbestandsmerkmal der Ordnungswidrigkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II ist damit die Zuwiderhandlung gegen einen Verwaltungsakt. Wird nach dem Gesetz eine Zuwiderhandlung gegen einen Verwaltungsakt mit Geldbuße bedroht, ist nach allgem...