Verfahrensgang

AG Werl (Beschluss vom 11.03.1999; Aktenzeichen 10 F 67/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Werl vom 11. März 1999 teilweise abgeändert.

Die Prozeßkostenhilfebewilligung für die Antragstellerin erfolgt ratenfrei.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe bewilligt und Monatsraten von 90,– DM festgesetzt. Mit der zulässigen Beschwerde (§ 127 ZPO) erstrebt die Antragstellerin den Wegfall der Raten.

Die Beschwerde hat Erfolg. Der Senat geht zunächst in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Verwaltungsabteilung vom 05. Juli 1999 davon aus, daß der Antragstellerin ein für die Prozeßkosten einzusetzendes Einkommen von 277,45 DM vebleibt, wenn man das Kindergeld in Höhe von monatlich 250,– DM berücksichtigt. Ohne das Kindergeld verbleiben lediglich 27,45 DM, so daß Raten nicht zu zahlen sind. Der Senat ist im Gegensatz zu der Auffassung des Amtsgerichts und der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts der Meinung, daß das Kindergeld, das die Antragstellern erhält, bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens nicht zu berücksichtigen ist.

Die Frage, ob ausgezahltes Kindergeld einzusetzen ist, wird nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert. Der wohl überwiegende Teil der Rechtsprechung hat die Frage bejaht (vgl. OLG Hamm, NJW 1991, 2713; OLG Karlsruhe, FamRZ 1986, 593; OLG Köln MDR 1993, 805; OLG München FamRZ 1995, 942; KG FamRZ 1982, 625; OLG Nürnberg FamRZ 1984, 408; OLG Bamberg FamRZ 1984, 606; OLG Frankfurt FamRZ 1998, 1603; OVG Münster FamRZ 1984, 604; ferner die in der Stellungnahme der Verwaltungsabteilung genannten nicht veröffentlichten Entscheidungen), teilweise wird die Frage aber auch verneint (LAG Bremen FamRZ 1987, 81; OLG Frankfurt FamRZ 1982, 513; OLG Bremen FamRZ 1984, 411).

Der Senat hat bereits grundsätzliche Bedenken, ob man das Kindergeld, das der Staat in Erfüllung seiner sich aus der Verfassung ergebenden Verpflichtung, das Existenzminimum jeder Person sicherzustellen, gewährt, bei der Frage, ob das Kindergeld für etwaig zu zahlende Raten einzusetzen ist, berücksichtigen kann. Zwar wird insoweit im Ansatz zu Recht von der überwiegenden Rechtsprechung geltend gemacht, daß die Prozeßkostenhilfe vom Gesetzgeber als Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege konzipiert worden ist. Während es aber im Bereich der Sozialhilfe anerkannt ist, daß das Kindergeld auf den Bedarf anzurechnen ist, ergeben sich für den Bereich der Prozeßkostenhilfe wesentliche Unterschiede. Es ist nämlich zu beachten, daß der Staat nicht Leistungen erbringen kann, die er jedenfalls mittelbar zurückverlangt. Das Kindergeld ist dazu bestimmt, Familien oder Einzelpersonen mit Kindern zu entlasten. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn man es bei der Frage, ob Raten zu zahlen sind, berücksichtigen würde.

Jedenfalls nach den inzwischen ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage des Existenzminimums (NJW 1999, 557–566) ist für die Berücksichtigung des Kindergelds im Rahmen des § 115 ZPO kein Raum. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß Personen, die Kinder betreuen, durch das geltende Recht verfassungsrechtlich benachteiligt werden. Es hat dem Gesetzgeber auferlegt, dem verfassungswidrigen Zustand durch geeignete Maßnahmen abzuhelfen. Werden aber Personen mit Kindern durch das noch geltende Recht ohnehin schon benachteiligt, dann ist es nicht gerechtfertigt, diesen Zustand noch zu verschlimmern. Genau das aber würde geschehen, wenn man das Kindergeld bei dem Einkommen im Rahmen des § 115 ZPO berücksichtigen würde.

 

Unterschriften

Kuckuk, Küpperfahrenberg, Mosler

 

Fundstellen

Haufe-Index 1402426

FamRZ 2000, 1093

FamRZ 2001, 630

NJW-RR 2000, 77

info-also 2000, 229

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