Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II führt nicht zu einer Ausweitung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit für den Fall zu titulierenden Unterhalts.

2. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist nach § 1603 BGB zu beurteilen und wird durch eine sozialrechtliche Vorschrift über die Anrechnungsfreiheit bestimmter Einkommensbestandteile nicht erweitert.

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

AG Dorsten (Beschluss vom 14.05.2012; Aktenzeichen 17 F 140/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 14.5.2012 verkündeten Beschluss des AG - Familiengericht - Dorsten wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.689,10 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der am 30.12.1996 geborene Antragsteller ist der Sohn des Antragsgegners aus dessen nichtehelicher Beziehung zur Kindesmutter L. Der Antragsteller ist Schüler und lebt im Haushalt der Kindesmutter. Durch gerichtlichen Vergleich vom 5.11.2009 (Az.: 11 F 170/09 AG Marl) hat sich der Antragsgegner verpflichtet, für den Antragsteller Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 55 EUR zu zahlen. Grundlage des Vergleichs war, dass der Antragsgegner eine chronisch floride, hoch aktive Hepatitis B hat. Der Antragsgegner ist außerdem seinem bei ihm lebenden Kind B, geboren am 1.10.2005, unterhaltspflichtig. Mit dem vorliegenden Verfahren nimmt der Antragsteller den Antragsgegner auf Abänderung des Unterhaltsvergleichs und Zahlung höheren Kindesunterhalts in Anspruch. Erstinstanzlich hat er die Zahlung von monatlich insgesamt 238,79 EUR ab April 2011 begehrt. Hierbei hat er die Ansicht vertreten, der Antragsgegner, der SGB II-Leistungen bezieht, sei in der Lage, einer Geringverdienertätigkeit nachzugehen und so 400 EUR monatlich zu verdienen, was auch unter Berücksichtigung der weiteren Unterhaltsverpflichtung zu einer Leistungsfähigkeit in der behaupteten Höhe führe. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Er sei aufgrund seiner verschiedenen Erkrankungen nicht in der Lage, einer Geringverdienertätigkeit nachzugehen. Im Übrigen würden von einem 400 EUR-Verdienst lediglich 125 EUR monatlich anrechnungsfrei verbleiben.

Das AG hat gemäß Beweisbeschluss vom 17.10.2011 ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob der Antragsgegner aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage ist, einer Berufstätigkeit auch nicht im Bereich einer geringfügigen Beschäftigung nachzugehen. In seinem psychiatrischen Gutachten vom 24.1.2012 ist der Sachverständige Dr. C, Facharzt für Neurologie, zu dem Ergebnis gelangt, dass aus fachpsychiatrischer Sicht die Aufnahme einer geringfügigen Tätigkeit mit 3 - 6 Stunden täglich möglich ist. Die Frage, ob der Antragsgegner allein aufgrund einer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit durch die bestehende chronische Hepatitis B mit andauernder medikamentöser Therapie in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist, liege außerhalb einer psychiatrischen Beurteilbarkeit und solle durch eine internistische Fachbegutachtung bewertet werden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG den Antrag des Antragstellers sodann zurückgewiesen. Der Antragsgegner sei tatsächlich nicht zur Zahlung höherer Unterhaltsleistungen fähig, da er lediglich Sozialleistungen beziehe. Ihm sei auch kein fiktives Einkommen zuzurechnen. Nach den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass der Antragsgegner seit Monaten erkrankt sei. Dieser Zustand dauere noch mindestens 3 Monate an und es sei nicht festzustellen, dass der Antragsgegner nach Ablauf dieser 3 Monate in der Lage sein werde, einer geringfügigen Tätigkeit nachzugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers.

Er ist der Ansicht, das AG arbeite mit einer unzulässigen Unterstellung, wenn es davon ausgehe, der Antragsgegner sei auch nach Ablauf von 3 Monaten nicht in der Lage, einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es hätte der Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens bedurft. Neben den bezogenen Sozialleistungen habe sich der Antragsgegner daher ein Einkommen i.H.v. 400 EUR fiktiv zurechnen zu lassen. Dieses Einkommen sei gem. § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II anrechnungsfrei. Unter Zugrundelegung eines Selbstbehalts von 835 EUR und ausgehend davon, dass der Wohnbedarf des Antragsgegners durch Sozialhilfeleistungen gedeckt sei, ergebe sich dann ein verteilungsfähiges Einkommen i.H.v. 294 EUR, von welchem ihm ein Anteil von gerundet 176 EUR zustehe.

Der Antragsteller beantragt, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses und des beim AG - Familiengericht - Marl in dem Verfahren 11 F 170/09 abgeschlossenen Vergleichs vom 5.11.2009 den Antragsgegner zu verpflichten, über die titulierten 55 EUR hinaus eine ...

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