Leitsatz (amtlich)
1. Der Verzicht auf einen Nießbrauch ist eine Schenkung, die im Falle der Verarmung des Schenkers gem. § 528 Abs. 1 BGB nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben ist.
2. Für die Kapitalisierung des Nießbrauchswertes bietet § 14 BewG eine im Rahmen des richterlichen Schätzungsermessens geeignete Grundlage.
Normenkette
BGB §§ 516, 528; BewG § 14
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 09.06.2016; Aktenzeichen 2 O 442/15) |
Tenor
1. Auf die die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Köln vom 9.6.2016 - 2 O 442/15 - wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 41.075,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 25.396,13 EUR seit dem 15.11.2011, aus weiteren 8.241,72 seit dem 8.6.2012 sowie aus weiteren 7.437,15 EUR seit dem 6.1.2014 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Rechtsstreits tragen trägt der Kläger zu 21 % und der Beklagte zu 79 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist der für die Mutter des Beklagten zuständige Sozialhilfeträger. Er nimmt den Beklagten aus übergeleitetem Anspruch in Höhe von 52.120,66 EUR nebst Zinsen aus Schenkungsrückforderung auf Ersatz von Kosten für die Heimunterbringung der Mutter in Anspruch. Die Mutter hatte dem Beklagten im Jahre 1995 schenkungsweise das Eigentum an dem von ihr bewohnten Hausgrundstück übertragen, sich aber ein lebenslanges Nießbrauchrecht vorbehalten. Am 22.6.2008 veräußerte der Beklagte das Hausgrundstück unter Löschung des Nießbrauchs zu einem Kaufpreis von 100.000,-- EUR, wovon 95.000,-- EUR auf das Grundstück und 5.000,-- EUR auf das Inventar entfielen. Die Mutter befindet sich nach einer im Frühjahr 2007 erlittenen Hirnblutung in vollstationärer Pflege und ist seit dem 1.12.2008 in einem Pflegeheim in L. untergebracht. Das LG, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und- Streitstandes verwiesen wird, hat der Klage stattgegeben.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage fort. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.
Das LG hat der Klage dem Grunde nach zu Recht aus §§ 528 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1 BGB stattgegeben. Das angefochtene Urteil entspricht insoweit der Sach- und Rechtslage. Die Berufungsbegründung rechtfertigt eine Abänderung der Entscheidung lediglich im Hinblick auf die Höhe der Klageforderung.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Zutreffend nimmt das LG an, dass die Mutter des Beklagten durch den unentgeltlichen Verzicht auf den Nießbrauch eine Schenkung an den Beklagten erbracht hat (vgl. BGH NJW 2000, 728, 730 = ZEV 2000, 111; OLG Nürnberg ZEV 2014, 37 = MittBayNot 2015, 30; Münchener Kommentar/Koch, BGB. 7. Aufl., § 516 Rdn. 8 m.w.N.). Durch die Zuwendung muss zwar eine Verminderung der Vermögenssubstanz bei dem Zuwendenden und eine Bereicherung bei dem Zuwendungsempfänger eintreten (etwa Münchener Kommentar/Koch, BGB. 7. Aufl., § 516 Rdn. 6 ff.; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 516 Rdn. 5/6). Auch das ist entgegen den Rügen der Berufung hier der Fall. Unabhängig von den mit dem Nießbrauch verbundenen Belastungen hatte dieser - anders als möglicherweise ein bloßes Wohnungsrecht (vgl. dazu BGH NJW 2012, 1956 zu §§ 1804, 1821 Abs. 1 BGB; Zimmer NJW 2012, 1919 f.; Everts MittBayNot 2015, 14; andererseits aber OLG Nürnberg a.a.O.) - schon im Hinblick auf das Recht der Nutzungsziehung und Vermietung einen objektiven Vermögenswert. Der Verzicht führte auch zu einer Vermögensmehrung des Beklagten. Der Einwand der Berufung, der Erwerber der Immobilie habe diese mit der Belastung durch den Nießbrauch der Mutter erworben, der erst im Anschluss gelöscht worden sei, daher sei der Verzicht nicht ihm, sondern den Erwerbern gegenüber erfolgt, verfängt nicht. Unabhängig davon, dass der Verzicht bereits in § 3 Abs. 1 des Notarvertrages bewilligt und beantragt worden ist, hat die Mutter den Verzicht nur zu dem Zweck erklärt, dem Beklagten die Veräußerung der Immobilie überhaupt zu ermöglichen. Darin lag eine Schenkung an den Beklagten.
2. Die Voraussetzungen des Notbedarfs nach § 528 Abs. 1 BGB liegen unstreitig ebenfalls vor. Der Anspruch ist auch nicht durch § 534 BGB ausgeschlossen. Der Verzicht auf den Nießbrauch war weder eine Pflicht-, noch eine Anstandsschenkung. Dagegen erhebt die Berufung keine erheblichen Einwendungen, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des LG zu verweisen ist. Auf die vom LG ri...