Leitsatz (amtlich)
§ 193 Abs. 3 Satz 1 mit Satz 2 Nr. 4 VVG ist dahin auszulegen, dass auch solche Sozialhilfeempfänger, deren Leistungsbezug erst nach dem 1.1.2009 begonnen hat, von der Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung ausgeschlossen sind, die - wären sie nicht sozialhilfebezugsberechtigt - der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V unterliegen würden.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen 23 O 21/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 20.3.2013 verkündete Urteil 23. Zivilkammer des LG Köln - 23 O 21/13 - abgeändert.
Die einstweilige Verfügung des LG Köln vom 22.1.2013 - 23 O 21/13 - wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger hat die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet.
Der Antrag des Verfügungsklägers, ihm bis zum Abschluss des Hauptverfahrens privaten Krankenversicherungsschutz im Basistarif zu gewähren, bleibt ohne Erfolg, denn die Verfügungsbeklagte ist nicht verpflichtet, den Verfügungskläger im Basistarif zu versichern. Der an einer ständig behandlungsbedürftigen Herzerkrankung leidende, am 0.0.2002 geborene Verfügungskläger war zunächst Asylbewerber und erhielt Krankenhilfe nach § 4 AsylbLG; dieser Anspruch entfiel zum 1.8.2012, nachdem dem Verfügungskläger gem. § 25 Abs. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war. Krankenhilfe nach § 48 SGB XII erhält der Verfügungskläger nicht, weil die Stadt L als zuständiger Sozialhilfeträger die Auffassung vertritt, der Verfügungskläger sei gehalten, sich privat gegen Krankheit zu versichern, und sei daher nicht bedürftig i.S.v. § 2 Abs. 1 SGB XII.
Die auch vom LG vertretene Auffassung, dass der Verfügungskläger einen Anspruch auf Abschluss einer privaten Krankheitskostenversicherung im Basistarif habe, teilt der Senat nicht. Grundsätzlich ist eine Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, für sich im gesetzlich festgelegten Umfang eine private Krankheitskostenversicherung bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen abzuschließen (§ 193 Abs. 1 Satz 1 VVG). Entsprechend ist der Versicherer gem. § 195 Abs. 1 Nr. 2 VVG verpflichtet, Versicherungsschutz im Basistarif nach § 12 Abs. 1a) VAG zu gewähren. Die Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankheitskostenversicherung besteht gemäß dem Ausnahmenkatalog des § 193 Abs. 1 Satz 2 VVG u.a. nach dessen Nr. 4 nicht für Personen, die
"Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leistungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1.1.2009 begonnen hat."
Geht man nach dem reinen Wortlaut dieser Ausnahmeregelung, dann fällt der Verfügungskläger nicht darunter, denn er ist erst seit dem 1.8.2012 Empfänger von Sozialhilfeleistungen. Die daraus scheinbar folgende Konsequenz, dass der Verfügungskläger eine private Krankenversicherung abschließen muss und die Verfügungsbeklagte als Versicherungsunternehmen Versicherungsschutz im Basistarif zu gewähren hat, ist indes weder mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch mit dem erkennbaren Zweck, den der Gesetzgeber mit der Einführung der Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung bezweckt hat, zu vereinbaren. Die Bestimmungen sind vielmehr dahin auszulegen, dass derjenige Personenkreis, der nicht der privaten Krankenversicherung, sondern der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen ist, auch dann nach den Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. Abs. 8a SGB V zu behandeln ist, wenn er Sozialhilfeleistungen bezieht. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB V wäre der Verfügungskläger, würde er keine Sozialhilfeleistungen beziehen, ohne Zweifel gesetzlich krankenversicherungspflichtig, denn er war bislang nicht gesetzlich oder privat krankenversichert und gehört auch nicht zum Personenkreis nach § 5 Abs. 5 SGB XII (hauptberuflich selbständige Erwerbstätige) oder zu den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personenkreisen (vor allem Arbeiter und Angestellte mit höherem Einkommen [Abs. 1 Nr. 1] und Beamte [Abs. 1 Nr. 2]). Gesetzlich krankenversicherungspflichtig ist der Verfügungskläger nur deswegen nicht, weil er Sozialhilfeleistungen bezieht und deswegen einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gemäß der Bestimmung des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V hat (vgl. dazu BSG, BSGE 107, 26, juris-Rz. 13) Im Verhältnis zur gesetzlichen Krankenversicherung besteht damit eine vorrangige Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers; dieser hat gem. § 48 SGB XII Hilfe bei Krankheit zu gewähren.
Die mit der Bestimmung...