Leitsatz (amtlich)

Fehlende Voraussetzungen des Rechtswegs zu den Sozialgerichten für eine auf Wettbewerbsrecht gestützte Klage einer Apotheke gegen eine andere Apotheke.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 20.11.2006; Aktenzeichen 11 HK O 15460/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 30.01.2008; Aktenzeichen I ZB 8/07)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG München I vom 20.11.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Inhaberin einer Apotheke. Die Beklagte zu 1) ist eine niederländische Kapitalgesellschaft, zu deren Vorstand der Beklagte zu 2) gehört. Sie betreibt eine Versandapotheke.

Die Beklagte zu 1) wirbt im Internet unter der Adresse www.d.de/de mit Sonderzahlungen für die Einlösung von Rezepten über Arzneimittel. Wer ein Kassenrezept einreiche, erhalte einen Bonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung; wer ein Privatrezept einreiche, erhalte 3 EUR Treuebonus pro Medikament; wer von der gesetzlichen Zuzahlung befreit sei, erhalte einen Treuebonus in Höhe der halben sonst üblichen Zuzahlung. Wegen der Werbeaussagen im Einzelnen wird auf die Darstellung in dem unten wiedergegebenen Klageantrag 1. Bezug genommen.

Die Klägerin erachtet diese Werbung als gem. § 4 Nr. 1, § 3 UWG unlauter, weil diese geeignet sei, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Selbst wenn das Heilmittelwerbegesetz auf Grund der abstrakten Gestaltung der Werbung und des Fehlens eines unmittelbaren Produktbezugs zumindest bei der Auslobung keine Anwendung finden sollte, so seien die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob eine unangemessene unsachliche Einflussnahme vorliege. In ihrer Klage zum LG hat sie folgende Sachanträge angekündigt:

1. Den Beklagten wird es verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gesetzlich versicherten Patienten in Deutschland für jedes Produkt auf einem Rezept einen Sofortbonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung anzubieten und/oder zu gewähren und/oder Privatversicherten einen 3 EUR-Treuebonus pro rezeptpflichtiges Medikament anzubieten und/oder zu gewähren und/oder gesetzlich Versicherten, die von der gesetzlichen Zuzahlung befreit sind, einen Treuebonus in Höhe der halben sonst üblichen Zuzahlung anzubieten und/oder zu gewähren, insb. wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1. ein Ordnungsgeld bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft bei der Beklagten zu 1) an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jeden Schaden, der ihr aus Zuwiderhandlungen gem. Ziff. 1. entstanden [ist] oder noch entstehen wird, zu ersetzen.

4. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin Auskunft über Zuwiderhandlungen gem. Ziff. 1 zu erteilen. Die Auskunft ist zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses, das chronologisch geordnet ist und aus dem sich der Abgabepreis des Arzneimittels oder Heilmittels, die Höhe des gewährten Bonus und die Postleitzahl des Rezepteinlösers ergibt. Die Auskunftspflicht beschränkt sich auf Rezepte, die von Patienten mit Wohnsitz, dessen Postleitzahl mit 80 beginnt, stammen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass die sachliche Zuständigkeit des angerufenen LG nicht bestehe. Die Zivilgerichtsbarkeit sei unzuständig, ausschließlich zuständig seien gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGG die Sozialgerichte. Zwar sei am Rechtsstreit eine gesetzliche Krankenversicherung nicht unmittelbar beteiligt, der Begriff der "Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung" des § 51 Abs. 2 SGG sei jedoch extensiv auszulegen, so dass bereits eine mittelbare Betroffenheit der gesetzlichen Krankenversicherung für die Zuständigkeit der Sozialgerichte ausreiche. Gegenstand des Rechtsstreits seien auch originäre Belange der gesetzlichen Krankenversicherung. Die gesetzlichen Vorschriften zur Zuzahlung (§ 31, §§ 61 f. SGB V) regelten Belange der gesetzlichen Krankenversicherung; hierdurch werde das Solidarprinzip des § 1 SGB V mit dem Ziel modifiziert, das Ausgabe- und Preisbewusstsein der Versicherten zu stärken, einen überhöhten Verbrauch von Arzneimitteln zu verhindern und die Krankenkassen damit zu entlasten. Wenn ein Dritter einen Bonus gewähre, werde der Regelungszweck der Zuzahlung betroffen; das Ausgabe- und Preisbewusstsein der Versicherten werde nicht mehr beeinflusst, wenn diese de facto keinen eigenen Beitrag zur Arzneimittelversorgung mehr tragen müssten. Durch ...

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