Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betreuer ist nicht allein deshalb als ungeeignet gem. § 1908b Abs. 1 BGB zu entlassen, weil er lebenserhaltende Maßnahmen ggü. dem Betroffenen unter Berufung auf dessen unterstellten Willen ablehnt (vgl. OLG Frankfurt NJW 2006, 3463)
2. Die unterlassene Einholung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung vor einem Behandlungsabbruch (hier: Einstellung der Sondenernährung) stellt keinen Pflichtverstoß des Betreuers dar, wenn der Arzt die weitere Behandlung nicht für medizinisch indiziert hält und deshalb nicht "anbietet" (vgl. BGH v. 17.3.2003 - XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205 = MDR 2003, 691 = BGHReport 2003, 661 m. Anm. Vossler = GesR 2003, 207).
Normenkette
BGB § 1908b Abs. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 07.12.2006; Aktenzeichen 4 T 4241/06) |
AG Altötting (Aktenzeichen XVII 394/02) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 7.12.2006 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die 74-jährige Betroffene wohnt seit 1949 im S.-Stift in N. Sie leidet seit Geburt an einer schweren Intelligenzminderung und ist taubstumm. Eine verbale Verständigung mit ihr ist nicht möglich. Mit Beschluss des AG vom 7.3.1955 wurde Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet, die seit 1.1.1992 als Betreuung weitergeführt wird. Am 18.1.1996 wurde der Beteiligte zu 2), der Bruder der Betroffenen, zum Betreuer bestellt. Als Aufgabenkreise wurden alle Angelegenheiten der Betroffenen nebst Entgegennahme und Öffnen der Post bestimmt. Mit Beschlüssen vom 2.2.2001 und 15.3.2006 wurde die Betreuung, unter Festlegung eines umfangreichen, im Einzelnen bestimmten Aufgabenkreises unter Einschluss der Gesundheitsfürsorge, jeweils verlängert, zuletzt mit Fristsetzung zur Überprüfung zum 14.3.2013. Anlässlich der letzten Verlängerung der Betreuung holte das AG ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. ein. Dieser stellte eine frühkindlich/geburtsbedingte Schädigung des Gehirns fest, die eine ausgeprägte schwere Intelligenzminderung zur Folge hatte, sowie auf Grund eines 2005 erlittenen
Schlaganfalls eine erhebliche Bewegungseinschränkung durch eine halbseitige Lähmung.
Im Sommer 2006 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Betroffenen weiter. Im Bezirkskrankenhaus G., wo sie sich vom 8.9.2006 bis 11.10.2006 befunden hatte, war eine Epilepsie, eine progressive subkortikale vaskuläre Enzephalopathie und ein Zustand nach Apoplex mit Resthemiparese diagnostiziert worden, ferner eine Erblindung in Form der sog. Seelenblindheit. Nach der stationären Behandlung hatte ein körperlicher Abbauprozess zu Bettlägerigkeit geführt. Die Betroffene verweigerte u.a. die natürliche Nahrungsaufnahme. Am 24.10.2006 wurde der Betroffenen mit Zustimmung des Beteiligten zu 2) im Krankenhaus eine PEG-Sonde gelegt und die Betroffene über diese ernährt.
Bei einem Besuch am 10.11.2006 wegen einer Freiheitsentziehungsmaßnahme stellte der Vormundschaftsrichter fest, dass die künstliche Ernährung seit 7 Tagen abgebrochen worden war. Er ordnete deren sofortige Wiederaufnahme an und entließ den Beteiligten zu 2) noch am selben Tag im Wege der einstweiligen Anordnung. Zur neuen endgültigen Betreuerin bestellte er die Beteiligte zu 1), eine Berufsbetreuerin. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Wirksamkeit dieser Verfügungen an. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2) sofortige Beschwerde und Beschwerde ein.
Am 27.11.2006 entließ das Vormundschaftsgericht den Beteiligten zu 2) endgültig und ordnete die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses an. Zur Begründung ist darin ausgeführt: Der Beteiligte zu 2) habe rechtswidrig ohne vorherige vormundschaftsgerichtliche Genehmigung entschieden, dass bei der Betroffenen lebenserhaltende Maßnahmen (Ernährung mittels einer Sonde) abgebrochen werden. Ein Betreuer, der durch rechtswidrigen Behandlungsabbruch den Tod der Betroffenen herbeizuführen versucht habe, sei schlechthin ungeeignet. Zwischen dem bisherigen Hausarzt und dem bisherigen Betreuer habe eine Konfliktsituation bestanden. Der Hausarzt habe sein Angebot, die Sondenernährung durchzuführen, nie zurückgenommen, sondern sich lediglich der Verweigerung der Einwilligung der weiteren künstlichen Ernährung durch den Betreuer gebeugt. Die von der Beteiligten zu 1) nunmehr beauftragte Ärztin Dr. R. sei der Auffassung, dass die weitere Ernährung mittels Sonde ärztlich indiziert sei. Die Betroffene werde nunmehr weiter ernährt. Ihr gehe es besser.
Auch gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2) sofortige Beschwerde ein.
Das LG hob den Beschluss des AG vom 10.11.2006, soweit die Beteiligte zu 1) als Betreuerin bestellt worden war, und die Entscheidung vom 27.11.2006 auf und entließ die Beteiligte zu 1) als Betreuerin. Ferner stellte es fest, dass hinsichtlich des Beschlusses vom 10.11.2006 das Beschwerdeverfahren erledigt sei.
Gegen diesen am 13.12.2006 zugestellten Beschluss ric...