Leitsatz (amtlich)
Der sorgeberechtigte Elternteil, der seine Zustimmung zu einem von seiner minderjährigen Tochter geplanten Schwangerschaftsabbruch verweigert, übt sein Sorgerecht nicht missbräuchlich aus und es liegt auch kein unverschuldetes Versagen i.S.v. § 1666 BGB vor. Auch wird das Wohl der Minderjährigen nicht dadurch gefährdet, dass der Sorgeberechtigte das Austragen des Kindes verlangt; von einer solchen Pflicht der Schwangeren geht die staatliche Rechtsordnung vielmehr grundsätzlich aus. Ein fehlerhaftes Verhalten des Sorgeberechtigten kann dann gegeben sein, wenn die Heranwachsende nicht die notwendige Unterstützung bei der Betreuung des Kindes und seinem eigenen Vorwärtskommen (z.B. berufliche Ausbildung) für die Zukunft nach der Geburt erhält (im Anschluss an OLG Hamm v. 16.7.1998 – 15 W 274/98, NJW 1998, 3424 [3425]; LG Berlin v. 20.11.1979 – 83 T 395/79, FamRZ 1980, 285 [286, 287]).
Verfahrensgang
AG Halle-Saalkreis (Beschluss vom 10.11.2003; Aktenzeichen 23 F 3241/03) |
Tenor
Der Beschluss des AG Halle/Saalkreis vom 10.11.2003 wird insoweit aufgehoben, als den Eltern die Gesundheitsfürsorge entzogen wurde.
Gründe
Mit Telefax vom 24.10.2003 wandte sich das Jugendamt der Stadt Halle an das FamG in Halle/Saalkreis und regte an, Teile der elterlichen Sorge für die Jugendliche N. B., geboren am 4.8.1986, den Eltern zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen. In seiner Begründung führt das Jugendamt aus, dass es am 16.10.2003 zwischen N. und ihren Eltern zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen sei, das Kind N. geschlagen wurde und daraufhin auch eine Verweisung aus der Wohnung erfolgte. N. sei in der 7. Woche schwanger und habe sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden, den die Eltern entschieden ablehnten. Am Tag des Einganges (24.10.2003) wurde Frau Rechtsanwältin Be. als Verfahrenspflegerin für N. B. bestellt und Termin zur mündlichen Verhandlung und Anhörung aller Beteiligten für den 4.11.2003 angesetzt. Die Verfahrenspflegerin hat schon mit Schriftsatz vom 3.11.2003 (Bl. 18 f.) eine ausführliche Stellungnahme zur Problematik abgegeben und das Jugendamt der Stadt Halle beantragte mit Schriftsatz vom 24.10.2003, der am 28.10.2003 beim Gericht einging, den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge für N.. In der mündlichen Verhandlung vom 4.11.2003 wurden alle Beteiligten ausführlich angehört, und das FamG hat durch Beschluss vom 10.11.2003 im Wege der vorläufigen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht auf Antragstellung nach §§ 27 f. SGB IX den Eltern entzogen und dem Jugendamt Halle als Amtspfleger übertragen. Auf die ausführliche Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen (Bl. 39 bis 41 d.A.). Am 13.11.2003 hat die Mutter von N. zu Protokoll der Geschäftsstelle gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und wendet sich gegen die einstweiligen Regelung, mit der wesentliche Teile des Elternrechtes ihr und ihrem Mann weggenommen worden seien. In einer Aktennotiz vom 13.11.2003 hat der Justizsekretär (z. A.) M. ein Telefonat mit der Verfahrenspflegerin niedergelegt, in dem mitgeteilt wurde, dass nicht erst am 19.11., sondern schon am 14.11.2003, also am Tag nach dem Telefonat, der Schwangerschaftsabbruch erfolgen sollte. Als Folge dieser Mitteilung der Verfahrenspflegerin hat der Geschäftsstellenbeamte aufgrund der erkannten Dringlichkeit bei der Geschäftsstelle des 2. Familiensenates angerufen und nach kurzer Rücksprache mit dem Senatsvorsitzenden davon Abstand genommen, Teile der Akten per Telefax zu übersenden. Vielmehr sagte er zu, unter Beachtung der Bedeutung des Vorganges, die gesamte Akte kurzfristig nach Naumburg zu bringen. Knapp eine Stunde nach diesem Gespräch war die komplette Akte beim Senat, nachdem beim AG am gleichen Tag eine richterliche Verfügung dahingehend erfolgte, dass die Vorlage an den Senat zu erfolgen habe, also eine Abhilfe durch das FamG nicht stattfinden werde. Während der Senat den gesamten Akteninhalt zur Kenntnis nahm, hat der Geschäftsstellenbeamte des Amtsgerichtes gemeinsam mit der Geschäftsstellenbeamtin des Familiensenates Telefonate geführt und hierüber einen Aktenvermerk vom 13.11.2003 gefertigt (Bl. 50 d.A.). Aufgrund dieser Telefonate stand fest, dass nicht schon am 14.11., sondern erst am 24.11.2003 der beabsichtigte Schwangerschaftsabbruch geplant sei. Dies wurde dem Senatsvorsitzenden am gleichen Tage in einem abendlichen Gespräch mit der Verfahrenspflegerin ausdrücklich nochmals bestätigt. Daraufhin hat der Senat durch Beschluss vom 13.11.2003 von Amts wegen die für das Jugendamt ausgesprochene Ermächtigung ausgesetzt bis zum 19.11.2003, den vom Senat angesetzten Verhandlungstermin.
In der Verhandlung am 19.11.2003 wurden alle Beteiligten ausführlich gehört. Der Kindesvater hat sich aus beruflichen Gründen entschuldigen lassen. Seine Ehefrau hat glaubhaft bekundet, dass zwischen ihr und ihrem Ehemann überhaupt keine Differenzen in der Sache besteh...