Leitsatz (amtlich)
1. Die Privilegierung von nahen, in Familiengemeinschaft lebenden Angehörigen beim gesetzlichen Forderungsübergang ist auch auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anzuwenden.
2. Eine nichtehehche Lebensgemeinschaft besteht - in Abgrenzung zu einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft - nur dann, wenn die Verbindung der Beteiligten auf Dauer angelegt ist und eine gleich gelagerte Beziehung zu weiteren Personen ausschließt.
3. Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Lebenspartner ein gemeinsames Kind haben oder eine wechselseitige Befugnis zur Verfügung über Vermögensgegenstände eingeräumt wurde.
Normenkette
BayBG Art. 96; VVG a.F. § 67 Abs. 2; SGB X § 116 Abs. 6; VVG § 86 Abs. 3 n.F.
Verfahrensgang
LG Amberg (Urteil vom 10.07.2008; Aktenzeichen 21 O 605/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Amberg vom 10.7.2008 geändert.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Der Kläger und Widerbeklagte hat an die Beklagte und Widerklägerin 11.873 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz seit 22.6.2007 zu zahlen.
IV. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.191,06 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der klagende Freistaat macht weitere Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend, die nach Art. 96 BayBG auf ihn übergegangen seien. Die Beklagte hatte bereits einen Teil der Aufwendungen erstattet, die der Kläger wegen des Ausfalles seines Beamten und für verauslagte Heilbehandlungskosten verlangt hatte. Dessen Verletzungen sind bei einem Verkehrsunfall am 8.4.2006 entstanden, den Frau als Fahrerin eines im Eigentum des Verletzten stehenden und bei der Beklagten versicherten Motorrades allein verschuldet hat. Da die beiden am Unfall unmittelbar Beteiligten seit dem 1.8.2004 zusammenleben, lehnte die Beklagte weitere Zahlungen an den Kläger ab und fordert ihrerseits die Rückzahlung von bereits geleisteten Beträgen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.318,06 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.2.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage und ihrerseits im Wege der Widerklage ihrerseits beantragt:
Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, 11.873 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung an die Beklagte und Widerklägerin zu zahlen.
Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
Das LG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es kam in seinem Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, zu dem Ergebnis, dass das "Familienprivileg", das in § 67 Abs. 2 VVG a.F. sowie in § 116 Abs. 6 SGB X normiert ist, auch auf Art. 96 BayBG entsprechend anwendbar sei und aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung eheähnliche Lebensgemeinschaften genauso behandelt werden müssten, wie verheiratete Paare. Eine solche eheähnliche Lebensgemeinschaft könne im vorliegenden Fall wegen der erst kurzen Dauer des Zusammenlebens sowie mangels eines gemeinsamen Kindes und der Befugnis, auf Vermögensgegenstände des jeweils anderen Lebenspartners zuzugreifen, nicht angenommen werden.
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Antrag auf Abweisung der Klage und Zahlung des mit der Widerklage geltend gemachten Betrages weiter. Sie hält die vom Erstgericht angestellten Überlegungen, unter welchen Voraussetzungen eine Gemeinschaft zweier Menschen als eheähnliche Lebensgemeinschaft angesehen werden könnte, für überspannt. Auch in einer Ehe würde dem gesetzlichen Leitbild zufolge keine wechselseitige Zugriffsmöglichkeit auf Vermögensgegenstände des Partners bestehen; ein gemeinsames Kind sei ebenso wenig Voraussetzung wie ein bestimmter Zeitraum des bereits bestehenden Zusammenlebens. Angesichts der Regelung, die der Gesetzgeber in § 86 Abs. 3 VVG n.F. getroffen hat, komme es allein auf eine häusliche Gemeinschaft an, die vorliegend gegeben sei.
Der Kläger hält das angegriffene Urteil für richtig. Er meint, dass eine reine Hausgemeinschaft die gesetzlich gewollte Privtlegierung zu sehr ausweiten würde und sich die Beklagte in diesem Fall nicht darauf berufen könne.
Eine Beweisaufnahme hat der Senat nicht durchgeführt.
II. Auf die Berufung der Beklagten war das Endurteil des LG Amberg aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Widerklageforderung zuzusprechen. Der Beklagten steht ein Zahlungsanspruch in unstreitiger Höhe von 11.873 EUR aufgrund § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB zu. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte sind nicht nach Art. 96 BayBG auf den Kläger übergegangen.
Das LG hat im angegriffenen Urteil zutreffend begründet, weswegen ein Forderungsübergang nach Art. 96 BayBG nicht stattfindet, wenn der Schädiger in einem eheähnlichen Verhältnis mit dem Geschädigten zusammenlebt und...